Thrombosemittel B01 Antithrombotische Mittel

Veröffentlicht am: 14.12.23

Zu dieser Indikationsgruppe gehören Mittel, welche die Gerinnungsneigung herabsetzen. Diese Arzneimittel werden überwiegend zur Vermeidung von Blutgerinnseln eingesetzt, welche z. B. am Herzen zum Infarkt führen können, im Gehirn zum Schlaganfall, in der Lunge zur Embolie und in den Beinen zur Beinvenenthrombose. Wenn Patienten nach bestimmten Ereignissen, wie etwa einem Herzinfarkt, oder bei bestimmten Störungen, wie z. B. Vorhofflimmern, antithrombotische Mittel anwenden, wird das Risiko für das Auftreten weiterer Ereignisse gesenkt. Das heißt, es erleiden weniger Patienten einen erneuten Infarkt oder einen Schlaganfall.

Einige Wirkstoffe dieser Indikationsgruppe werden auch zur Auflösung von Blutgerinnseln verwendet, z. B. nach einem Herzinfarkt, um den Blutfluss in den betroffenen Gefäßen wiederherzustellen.

Alle Wirkstoffe aus der Indikationsgruppe der Antithrombotischen Mittel wirken hemmend auf die Blutgerinnung. Eine funktionierende Blutgerinnung ist wichtig für den Verschluss und die Heilung blutender Gefäße. Die Verletzung eines Blutgefäßes setzt eine komplexe Gerinnungskaskade in Gang, an deren Ende die Bildung eines Thrombus (Blutgerinnsels) steht, der aus Thrombozyten und Fibrin besteht. An der Gerinnungskaskade sind zahlreiche Gerinnungsfaktoren beteiligt, die sich in einer bestimmten Abfolge aktivieren und letztlich zur Vernetzung des Fibrins führen. Die für die Gerinnung erforderliche Aggregation der Thrombozyten wird ebenfalls von zahlreichen Faktoren aktivierend oder hemmend beeinflusst.

Bei pathologisch veränderten Blutgefäßwänden, wie z. B. der Arteriosklerose, oder pathologisch verändertem Blutfluss, wie bei Vorhofflimmern, kann es auch ohne äußere Verletzung zur Thrombusbildung und embolischen Ereignissen kommen, die zum Verschluss von Blutgefäßen mit evtl. lebensbedrohlichen Folgen führen können.

Die antithrombotischen Mittel haben vier Hauptangriffspunkte:

  • Sie können direkt oder indirekt die Aggregation der Thrombozyten hemmen.
  • Sie können die Synthese von Blutgerinnungsfaktoren hemmen.
  • Sie können direkt oder indirekt hemmend auf Gerinnungsfaktoren wirken.
  • Sie können frisch gebildete Thromben wieder auflösen.

Welches Wirkprinzip zum Einsatz kommt, hängt von der bestehenden Erkrankung oder Störung ab.

Teil-Indikationsgruppen

Von größter Bedeutung ist die Teil-Indikationsgruppe der Mittel bei erhöhter Neigung zur Bildung von Thromben und Thromboembolien (Thrombozytenaggregationshemmer). Die Wirkstoffe werden u. a. zur Prävention von kardiovaskulären Ereignissen bei einem akuten Koronarsyndrom, zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern oder zur Prävention und Behandlung von Thrombosen eingesetzt.

Die Mittel zur Thrombolyse werden zur Auflösung frischer Blutgerinnsel, z. B. bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, eingesetzt. In der ambulanten Versorgung spielen sie fast keine Rolle.

Der angeborene Protein-C-Mangel ist eine seltene Erkrankung, die zu einer übermäßigen Gerinnung führt. Unter bestimmten Umständen ist bei diesen Patienten eine Substitution mit Protein C erforderlich.

Zur symptomatischen Behandlung kann bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit Cilostazol als Mittel der zweiten Therapielinie eingesetzt werden.

Bei erworbener thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (aTTP), die zu den sehr seltenen Erkrankungen zählt, kann der Antikörper Caplacizumab die Bildung der gefährlichen Blutgerinnsel hemmen.

Therapieansätze

Nachfolgend wird auf die wichtigsten Therapieansätze der größten Teil-Indikationsgruppe, der Thrombozytenaggregationshemmer, eingegangen.

Zum Therapieansatz „Acetylsalicylsäure“ (ASS) gehören Wirkstoffe, die das Enzym Cyclooxygenase hemmen. Die Cyclooxygenase ist ein Schlüsselenzym der Prostaglandinsynthese. In den verschiedensten Zellen des Organismus werden unterschiedliche Prostaglandine als lokal wirkende Gewebshormone produziert und können vielfältige, teilweise sogar gegensätzliche Wirkungen entfalten. Die Hemmung der Thrombozytenaggregation durch ASS wird dadurch erreicht, dass bei Gabe des Wirkstoffs in geringer Dosis die Wirkung auf die Thrombozyten im Vordergrund steht: In diesen wird dann der Botenstoff Thromboxan verringert gebildet, was letztlich zu einer verminderten Thrombozytenaggregation führt.

Die Thrombozytenaggregation wird nicht nur durch Thromboxan, sondern durch weitere Botenstoffe gesteuert, u. a. von Adenosindiphosphat (ADP). Das ebenfalls von Thrombozyten gebildete ADP wirkt über den ADP-P2Y12-Rezeptor auf den Thrombozyten und fördert so deren Aggregation. ADP-P2Y12-Antagonisten unterbinden die ADP-Wirkung am Rezeptor.

Die Blutgerinnung im Organismus wird durch eine komplexe Kaskade verschiedenster Gerinnungsfaktoren in Gang gesetzt und reguliert. Bei einer Reihe von Gerinnungsfaktoren ist die Synthese abhängig von dem als Co-Faktor wirkenden Vitamin K. Bei Hemmung der Vitamin-K-Funktion durch Vitamin-K-Antagonisten werden diese Gerinnungsfaktoren dosisabhängig vermindert synthetisiert. Durch regelmäßige Prüfung der Gerinnungsfunktion anhand einer Blutprobe und ggf. Anpassung der Dosis der Vitamin-K-Antagonisten muss das erwünschte Ausmaß der Gerinnung sehr genau eingestellt werden. Vitamin-K-Antagonisten gehören zu den oralen Antikoagulanzien.

Während Vitamin-K-Antagonisten die Gerinnung indirekt hemmen, indem sie die Synthese von Gerinnungsfaktoren vermindern, greifen andere Wirkstoffe direkt an bestimmten Gerinnungsfaktoren an und hemmen diese. Die entsprechenden Wirkstoffe gehören zu den Therapieansätzen der direkten Thrombin- bzw. Faktor-Xa-Inhibitoren und werden als direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs, auch als neue orale Antikoagulanzien [NOAKs] bezeichnet) zusammengefasst. Eine Überwachung der Gerinnungsfunktion ist unter Therapie mit DOAKs nicht möglich und daher auch nicht erforderlich, was die Anwendung im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten erheblich vereinfacht.

Zur Heparingruppe gehören verschiedene Stoffe, die mit dem körpereigenen Heparin verwandt sind. Bei den Heparinen handelt es sich um Polysaccharide, deren physiologische Funktion die Gerinnungshemmung ist, um eine überschießende Gerinnung im Organismus zu vermeiden. Heparine werden von Mastzellen synthetisiert. Diese sind besonders reichlich u. a. in der Darmschleimhaut vertreten. Natürliches Heparin, aus dem die therapeutisch angewendeten Heparine hergestellt werden, wird üblicherweise aus Schweinedarm gewonnen.