Mittel zur Anregung des Immunsystems L03 Immunstimulanzien

Veröffentlicht am: 20.02.24

In der Indikationsgruppe der Immunstimulanzien werden Arzneimittel zusammengefasst, die bei sehr verschiedenen Erkrankungen eingesetzt werden. Als wichtigste Erkrankung ist hier die Multiple Sklerose zu nennen. Von Bedeutung sind außerdem die koloniestimulierenden Faktoren, die vor allem eingesetzt werden, um die Folgen bestimmter Zytostatikatherapien abzumildern, die zu einem Rückgang der weißen Blutkörperchen führen können. Zu erwähnen sind schließlich noch die Interferone alpha, die einerseits zur Anwendung bei Hepatitis B bzw. C zugelassen sind, andererseits bei bestimmten Krebserkrankungen.

Viele der Wirkstoffe dieser Indikationsgruppe sind nicht als Immunstimulanzien, sondern vielmehr als Immunmodulatoren zu verstehen. Das heißt, sie führen nicht zu einer allgemein höheren Aktivität des Immunsystems, sondern beeinflussen bestimmte Teilfunktionen. Unter Umständen wirken sie sogar hemmend auf Immunfunktionen. Häufig ist – insbesondere bei älteren Wirkstoffen – der eigentliche Wirkmechanismus der verfügbaren Stoffe auch nicht völlig geklärt.

Teil-Indikationsgruppen

Die Wirkstoffe aus der Gruppe der Immunstimulanzien werden bei den verschiedensten Erkrankungen eingesetzt und daher auch verschiedenen Teil-Indikationsgruppen zugeordnet, von denen die wichtigsten hier kurz vorgestellt werden sollen.

Die wichtigste Teil-Indikationsgruppe ist die der Mittel bei Multipler Sklerose (MS). Die MS ist eine chronische Erkrankung, die häufig schubförmig verläuft. Es treten dabei Entzündungsherde im Gehirn oder Rückenmark auf, die zu einer Zerstörung der Myelinscheiden der Nervenfasern führen. Je nach Lokalisation der Entzündung kommt es zu entsprechenden neurologischen Störungen, die sich vollkommen zurückbilden können. Je länger die Erkrankung unbehandelt andauert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es zu bleibenden Störungen kommt.

Wirkstoffe aus der Teil-Indikationsgruppe der koloniestimulierenden Faktoren werden bei Neutropenie, also einer zu geringen Konzentration von bestimmten weißen Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten) eingesetzt. Dazu kommt es typischerweise bei Anwendung von Chemotherapeutika in der Krebstherapie. Durch die Neutropenie wird die Immunabwehr eingeschränkt, sodass die Gefahr für insbesondere bakterielle Infektionen steigt.

Interferone alpha werden aufgrund ihrer immunmodulatorischen Eigenschaften hauptsächlich bei Virushepatitiden eingesetzt. Bislang betraf dies die chronischen Hepatitiden B und C. Für die Therapie der chronischen Hepatitis C sind seit 2014 besser wirksame und deutlich verträglichere Arzneimittel verfügbar, sodass die Anwendung bei Hepatitis C inzwischen nicht mehr empfohlen wird. Interferone alpha werden außerdem unter bestimmten Voraussetzungen bei einigen Krebserkrankungen eingesetzt, wie z. B. der Haarzellleukämie.

Die TBC-Immunstimulatoren werden bei Blasenkrebs bzw. bei Osteosarkomen eingesetzt.

Umstimmungsmittel, pflanzliche und komplementäre Immunstimulanzien und modulatoren sollen die körpereigene Abwehr stimulieren. Sie werden zur Prävention von Infekten sowie zur Senkung der Rezidivrate gegeben. Die Verordnung dieser Arzneimittel ist durch die Anlage III der Arzneimittelrichtlinie weitgehend ausgeschlossen.

Arzneimittel aus anderen Teil-Indikationsgruppen werden – zumindest ambulant – nur in geringen Mengen verordnet. Sie werden zur Behandlung schwerwiegender und/oder seltener Erkrankungen eingesetzt, wie z. B. zur Vorbereitung einer Stammzelltransplantation.

Therapieansätze

In der Indikationsgruppe der Immunstimulanzien umfassen die meisten der zahlreichen Teil-Indikationsgruppen nur einen Therapieansatz. Lediglich in zwei Teil-Indikationsgruppen werden unterschiedliche Therapieansätze unterschieden.

Zur Teil-Indikationsgruppe der Mittel bei Multipler Sklerose (MS) gehören zwei Therapieansätze. Der Therapieansatz der Interferone beta bzw. Beta-Interferone zählt mehrere Wirkstoffe, die alle gleich wirken. Beta-Interferon wird natürlicherweise im Organismus produziert und wirkt antiviral und immunmodulatorisch. Es hemmt das Wachstum von Zellen und von Tumoren. Es wird angenommen, dass bei der MS zahlreiche immunregulatorische Prozesse verändert sind. Beta-Interferone greifen an vielen dieser Prozesse an und wirken so bei MS immunmodulatorisch. Offenbar ist kein einziger der bisher nachgewiesenen Effekte allein verantwortlich für die Wirksamkeit von Beta-Interferonen bei MS, sondern die Wirksamkeit beruht auf der Kombination der Effekte (Kasper und Reder 2014). Der Therapieansatz Glatirameracetat umfasst nur einen gleichnamigen Wirkstoff. Dabei handelt es sich um ein Gemisch von Polypeptiden mit zufälliger Sequenz. Auch dieser Wirkstoff wirkt über zahlreiche Einzeleffekte immunmodulatorisch auf die pathophysiologischen Prozesse bei der MS.

Die Teil-Indikationsgruppe der TBC-Immunmodulatoren gliedert sich in zwei Therapieansätze mit je einem Wirkstoff. Beide werden bei der Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt und haben einen ähnlichen Wirkmechanismus. Beim Einsatz von BCG-Impfstoff macht man sich die allgemein immunstimulierenden Eigenschaften des Impfstoffs zunutze, der ursprünglich als Impfstoff gegen Tuberkulose entwickelt wurde. Durch die Immunstimulation reagiert das Immunsystem verstärkt auf Krebszellen und bekämpft sie. BCG-Impfstoff wird bei Blasenkrebs eingesetzt. Muramyldipeptid-Analoga ähneln den Muramyldipeptiden, und diese wiederum sind Bestandteile der Zellwand zahlreicher Bakterien, u. a. von Mycobacterium tuberculosis. Muramyldipeptide wirken direkt immunstimulierend, indem sie an bestimmte Immunzellen binden und diese aktivieren. Wie beim BCG-Impfstoff wird durch diese Aktivierung die Reaktion des Immunsystems auf Krebszellen verstärkt. Das bisher einzige verfügbare Muramylpeptid-Analogon ist das Mifamurtid, das im Rahmen der Therapie von Osteosarkomen eingesetzt wird.

Literatur

  • Kasper LH, Reder AT. Immunomodulatory activity of interferon-beta. Ann Clin Transl Neurol 2014;1(8):622–631