Mittel mit hemmender Wirkung auf das Immunsystem L04 Immunsuppressiva

Veröffentlicht am: 12.01.24

Die Bezeichnung der Wirkstoffe in dieser Indikationsgruppe als Immunsuppressiva deutet bereits auf eine wichtige gemeinsame Eigenschaft hin: Die Arzneimittel wirken hemmend auf immunologische Prozesse.

Dabei hat die Entwicklung in den letzten 20 Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Ursprünglich standen lediglich die beiden Wirkstoffe Methotrexat und Azathioprin zur Verfügung, die als Antimetaboliten einst zur Behandlung von Krebserkrankungen entwickelt worden waren und relativ unspezifisch immunsuppressiv wirken. Zunehmendes Verständnis immunologischer Prozesse allgemein und besonders der spezifischen Abläufe bei bestimmten Erkrankungen erlaubte es, dass Arzneimittel entwickelt werden konnten, die sehr zielgenau in gestörte Immunprozesse eingreifen.

Entsprechend den zahlreichen immunologischen Erkrankungen werden verschiedene Teil-Indikationsgruppen unterschieden.

Teil-Indikationsgruppen

Die Immunsuppressiva verteilen sich auf viele verschiedene Teil-Indikationsgruppen, von denen manche nur einen Wirkstoff umfassen.

Die älteste, aber heute immer noch relevante Teil-Indikationsgruppe ist die der Unspezifischen Immunsuppressiva. Diese Arzneimittel werden bei verschiedenen immunologischen Erkrankungen und bei Organtransplantationen eingesetzt. Zwar ist der Wirkmechanismus der Arzneimittel bekannt, doch ist die genaue Wirkung teilweise ungeklärt.

In der Teil-Indikationsgruppe der Mittel bei Transplantation sind verschiedene Wirkstoffe zusammengefasst, die zur Immunsuppression bei Organtransplantation eingesetzt werden. Ohne eine Immunsuppression würde das Spenderorgan rasch vom Immunsystem als Fremdkörper erkannt und abgestoßen werden. Die immunsuppressive Therapie ist nach einer Transplantation dauerhaft erforderlich.

Zur Teil-Indikationsgruppe der Mittel bei rheumatoider Arthritis (RA) und anderen Systemkrankheiten gehören verschiedene Arzneimittel, die zur spezifischen Therapie bei immunologischen Erkrankungen eingesetzt werden. Neben der RA sind hier u. a. zu nennen: chronisch-entzündliche Darmkrankheiten wie Morbus Crohn bzw. Colitis ulcerosa, Psoriasis und Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew.

Auch die Multiple Sklerose (MS) gehört zu den immunologischen Erkrankungen. Arzneimittel dieser Teil-Indikationsgruppe sind ausschließlich zur Therapie der schubförmig remittierenden MS zugelassen.

Auch bei den übrigen Teil-Indikationsgruppen gibt der Name jeweils das Anwendungsgebiet an. Die Anwendungsgebiete sind:

  • Psoriasis
  • Multiples Myelom: Blutkrebs, der Antikörper-produzierende Zellen (Plasmazellen) betrifft
  • Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH): seltene Erkrankung, bei der es zur Zerstörung von roten Blutkörperchen kommt
  • CAPS (Cryopyrin-assoziierte periodische Syndrome): seltene Erkrankungen mit vermehrter Bildung von Interleukin 1-beta
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Autoimmunkrankheit, die verschiedene Organe betreffen kann; am häufigsten betroffen sind Gelenke, Muskeln und die Haut.
  • Idiopathische Lungenfibrose: stetig voranschreitende Fibrosierung (Vernarbung) des Lungengewebes unbekannter Ursache
  • Multizentrische Castleman-Krankheit: seltene Erkrankung mit schlechter Prognose, bei der es zu einer Vergrößerung der Lymphknoten kommt
  • Entzündliche Darmerkrankungen

Therapieansätze

In der Indikationsgruppe der Immunsuppressiva werden sehr viele Therapieansätze unterschieden. Diese Vielfalt ist einerseits dadurch bedingt, dass es viele Teil-Indikationsgruppen gibt und jede Teil-Indikationsgruppe aus mindestens einem Therapieansatz besteht. Die vielen Therapieansätze sind aber auch ein Indikator dafür, dass immunologische Prozesse sehr komplex sind und sich daher an zahlreichen Zielstrukturen beeinflussen lassen.

Entsprechend ihrem Verbrauch sollen die wichtigsten Therapieansätze an dieser Stelle etwas detaillierter beschrieben werden.

Die TNF-alpha-Inhibitoren sind Biologika, in den meisten Fällen monoklonale Antikörper, die sich gegen den Tumornekrosefaktor (TNF) alpha richten. TNF-alpha gehört zu den Zytokinen und ist ein starker Entzündungsmediator. TNF-alpha wirkt über zahlreiche abhängige Mechanismen proinflammatorisch, also entzündungsfördernd, speziell bei Immunzellen. Entsprechend werden die TNF-alpha-Inhibitoren bei verschiedenen chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis (RA), chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Psoriasis eingesetzt.

Der Therapieansatz „Unspezifische Immunsuppressiva“ umfasst Wirkstoffe, die relativ unspezifisch hemmend auf das Immunsystem wirken. Das heißt, diese Wirkstoffe zielen nicht direkt auf definierte immunologische Prozesse. Beide zu diesem Therapieansatz zählenden Wirkstoffe sind Antimetaboliten, die als „falsche Bausteine“ bestimmte Abläufe im Organismus stören. Das Methotrexat (MTX) wurde als Folsäureantagonist entwickelt. Folsäure hat verschiedene Funktionen im Organismus, u. a. hilft es mit bei der Synthese von DNA-Bausteinen. Durch die Hemmung von Folsäure entfaltet MTX einen antiproliferativen Effekt, insbesondere auf Lymphozyten. Inzwischen wird angenommen, dass der entzündungshemmende Effekt von MTX auch oder vor allem durch eine Erhöhung der Adenosinkonzentration vermittelt wird (Chan und Cronstein 2002). Azathioprin wirkt als Purinanalogon hemmend auf die DNA-Synthese, wodurch die Zellteilung gestört wird. Betroffen ist davon v. a. das Wachstum von Lymphozyten.

Ein wichtiges Wirkprinzip ist die Hemmung von Interleukinen. Interleukine gehören zu den Zytokinen und fungieren als Botenstoffe, die Signale zwischen Zellen vermitteln. Die verschiedenen Interleukine werden von Immunzellen produziert und haben sehr unterschiedliche Funktionen. Viele Interleukine fördern Immunreaktionen, andere wirken dagegen hemmend im Sinne einer Autoregulation. Zur Hemmung der Wirkung bestimmter Interferone werden bei verschiedenen immunologischen Erkrankungen (z. B. RA, Psoriasis, multizentrische Castleman-Krankheit, CAPS [Cryopyrin-assoziierte periodische Syndrome]) Wirkstoffe eingesetzt, die entweder antagonistisch am jeweiligen Interleukinrezeptor wirken oder direkt ein bestimmtes Interleukin hemmen.

JAK-Inhibitoren hemmen die sogenannten Januskinasen. Deren Aufgabe ist die durch Zytokine vermittelte Signalweiterleitung in die Zelle. Die so aktivierte Zelle produziert dann vermehrt entzündungsfördernde Proteine.

Unter den selektiven Immunsuppressiva einer Teil-Indikationsgruppe werden jeweils Wirkstoffe zusammengefasst, die im Wesentlichen nur bei einer bestimmten Erkrankung eingesetzt werden, wobei der Wirkmechanismus ggf. auch bei anderen Erkrankungen erfolgreich sein kann. Als ein Beispiel ist hier das Leflunomid zu nennen. Der Wirkstoff hemmt ein Schlüsselenzym der Pyrimidinsynthese. Zu den Pyrimidinen gehört das Uridinmonophosphat (UMP), wovon aktivierte Lymphozyten sehr viel benötigen, um sich teilen zu können. Daher hemmt Leflunomid die T-Zell-Vermehrung und die Produktion von Autoantikörpern (Meier et al. 2013). Leflunomid ist nur zur Behandlung der RA zugelassen. Aktiver Metabolit des Leflunomid ist das Teriflunomid. Teriflunomid wirkt also genauso wie Leflunomid, ist jedoch nur zur Therapie der Multiplen Sklerose zugelassen.

Die Calcineurin-Inhibitoren sind ein wichtiger Therapieansatz bei den Immunsuppressiva, die insbesondere bei Transplantationen eingesetzt werden. Die Calcineurin-Hemmung führt bei aktivierten T-Zellen zu einer verminderten Produktion verschiedener Zytokine. Es kommt zu einer relativ spezifischen Hemmung von T-Lymphozyten, den Immunzellen, die hauptsächlich an der Immunreaktion bei einer Transplantatabstoßung beteiligt sind.

Einziger Vertreter der IMP-Dehydrogenasehemmer ist die Mycofenolsäure bzw. deren Derivat Mycofenolat-Mofetil. Das Antibiotikum hemmt das Enzym Inositmonophosphat-Dehydrogenase und damit die Synthese eines DNA-Bausteins - des Guanosins. Die IMP-Dehydrogenase ist insbesondere in Lymphozyten von Bedeutung, daher wirken IMP-Dehydrogenasehemmer immunsuppressiv. Eingesetzt werden Mycofenolsäure bzw. Mycofenolat-Mofetil zur Immunsuppression bspw. nach Transplantationen zur Vermeidung einer Transplantatabstoßung.

Literatur

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