Veröffentlicht am: 16.12.18
Teil-Indikationsgruppe der Mittel bei | DDD 2016 | DDD 2017 | Behandelbare Patienten 2016 | Behandelbare Patienten 2017 |
Morbus Fabry | 187.402 | 201.443 | 513 | 552 |
Morbus Gaucher Typ 1 und Niemann-Pick-Krankheit Typ | 100.938 | 100.029 | 277 | 274 |
Morbus Pompe | 48.013 | 56.553 | 132 | 155 |
Hypophosphatasie | 7.021 | 24.553 | 19 | 67 |
Kurzdarmsyndrom | 17.780 | 21.095 | 49 | 58 |
MPS Typ 4a (Morquio-A-Syndrom) | 10.960 | 12.256 | 30 | 34 |
MPS Typ 2 (Morbus Hunter) | 9.503 | 10.321 | 26 | 28 |
MPS Typ 6 (Morbus Maroteaux-Lamy) | 6.015 | 6.760 | 16 | 19 |
Quelle: IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health) MPS = Mukopolysaccharidose |
Die Arzneimittel aus der Indikationsgruppe der anderen Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel werden für eine Reihe verschiedener Erkrankungen eingesetzt. Im Hinblick auf die Ausgaben spielen die angeborenen Stoffwechselkrankheiten die wichtigste Rolle. Daher sollen im Folgenden beispielhaft für einige lysosomale Speicherkrankheiten Epidemiologie, Bedarf und Angemessenheit der Versorgung dargestellt werden.
Als lysosomale Speicherkrankheiten werden verschiedene genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen bezeichnet, die durch einen progredienten Verlauf gekennzeichnet sind (u. a. Lipidspeicherkrankheiten, Mukopolysaccharidosen, Glykogenosen). Sie manifestieren sich an unterschiedlichen Organsystemen und verursachen daher sehr unterschiedliche Krankheitsbilder. In den Niederlanden wurden Neugeborene über mehrere Jahre hinweg auf lysosomale Speicherkrankheiten gescreent. Die Autoren ermittelten eine Prävalenz von 14 pro 100.000 Lebendgeborenen für alle lysosomalen Erkrankungen zusammen (Poorthuis 1999). Eine australische Studie kommt mit 13 pro 100.000 Lebendgeborenen zu einer ähnlich hohen Prävalenz (Meikle et al. 1999). Eine australische Studie kommt mit 13 pro 100.000 Lebendgeborenen zu einer ähnlich hohen Prävalenz (Meikle et al. 1999). Damit handelt es sich um sehr seltene Erkrankungen. Die meisten dieser Krankheiten werden symptomatisch behandelt (Beck 2001); zusätzlich steht für einige Erkrankungen eine Enzymersatztherapie zur Verfügung.
Morbus (M.) Gaucher, M. Fabry und die Niemann-Pick-Krankheit Typ C gehören zu den Lipidspeicherkrankheiten. Durch einen Enzymdefekt reichern sich Lipide in den Körperzellen an. Hauptsymptom der viszeralen Form des M. Gaucher (Typ 1) ist die Vergrößerung von Leber und Milz. Anämie, Thrombopenie und Gelenkschmerzen sind die Folgen. M. Gaucher (Typ 1) ist unter den lysosomalen Speicherkrankheiten mit einer Prävalenz von 0,90 pro 100 000 Lebendgeborenen in den Niederlanden relativ häufig (Poorthuis 1999). Andere Quellen gehen von einer Prävalenz in Höhe von 1 bis 3,33 pro 100 000 in der Gesamtbevölkerung aus (Meikle et al. 1999, Belmatoug et al. 2002, Stirnemann et al. 2003, Levrat et al. 2007, Orphanet 2018). Nach einer neueren Übersichtsarbeit liegt die Prävalenz in der Normalbevölkerung zwischen 0,7 und 1,75/100 000 (Nalysnyk et al. 2017). Das würde bedeuten, dass es in der GKV insgesamt zwischen 540 und 1.300 Betroffene gäbe.
Der dem M. Fabry zugrundeliegende Enzymmangel wird X-chromosomal vererbt. M. Fabry verursacht Angiokeratome (gutartige Hautveränderungen, auch Blutwarzen genannt), Schmerzen, Missempfindungen in den Extremitäten, gestörte Schweißproduktion und bei Erwachsenen Herzrhythmusstörungen sowie eine Nierenschädigung bis hin zur Niereninsuffizienz. Männliche Betroffene entwickeln meist bereits im Kindesalter Symptome. Die Variabilität der klinischen Symptomatik ist breit, insbesondere bei Frauen. Entsprechend hoch ist das Spektrum an möglichen Differenzialdiagnosen. Die Angaben zur Prävalenz beziehen sich in der Regel auf Neugeborene, sodass auf Basis dieser Angaben die Häufigkeit der Erkrankung in der Gesamtbevölkerung nicht geschätzt werden kann. Poorthuis et al. (1999) ermittelten eine Prävalenz von 0,21 pro 100.000 Neugeborenen bzw. 0,42 pro 100 000 männlichen Neugeborenen in den Niederlanden. Nach Deegan et al. (2006) reichen die Schätzungen zur Inzidenz von 0,25 bis 2,50 pro 100 000 männlichen Lebendgeborenen. In der aktuellen nationalen Leitlinie zur Diagnose und Therapie des Morbus Fabry wird eine Prävalenz zwischen 1:40 000 und 1:117 000 Lebendgeburten genannt; bei Orphanet wird von einer Prävalenz von 0,22:100 000 Neugeborenen ausgegangen (DGN 2013, Orphanet 2018). Die korrekte Diagnose wird aufgrund des komplexen Erscheinungsbildes oftmals erst nach vielen Jahren gestellt. Es ist davon auszugehen, dass die Erkrankung zu selten diagnostiziert wird (Hoffmann und Mayatepek 2009). Valide Aussagen zur tatsächlichen Häufigkeit der Erkrankung in der GKV sind auf Grundlage der verfügbaren Angaben nicht möglich.
Die Niemann-Pick-Krankheit Typ C (NP-C) ist ebenfalls eine vererbbare Lipidspeicherkrankheit. Durch fortschreitende neurologische Schädigungen ist die Lebenserwartung der Patienten stark reduziert. Aufgrund des vielfältigen Erscheinungsbilds wird die Krankheit nicht immer erkannt (Sévin et al. 2007) und die Dunkelziffer ist vermutlich hoch. Nach Angaben von Orphanet liegt die Prävalenz der Erkrankung bei 1:100 000 Neugeborenen (Orphanet 2018).
Von den Mukopolysaccharidosen (MPS) gibt es verschiedene Typen. Aktuell stehen für Typ 1 (M. Hurler), Typ 2 (M. Hunter), Typ 4a (Morquio-A-Syndrom) und Typ 6 (M. Maroteaux-Lamy) spezifische Therapien zur Verfügung. Die MPS verursachen grobe Gesichtszüge, eine Vergrößerung der Zunge, verdickte Haut, Hornhauttrübung, Schwellung der Leber und der Milz sowie Gelenkkontrakturen. Bei MPS Typ 1 kommen Minderwuchs und mentale Retardierung hinzu, bei MPS Typ 2 ebenfalls Minderwuchs, Schwerhörigkeit und Organvergrößerung. MPS Typ 1 ist mit einer Prävalenz von 0,69–1,2 Patienten pro 100.000 Lebendgeborenen die häufigste Erkrankung unter den Mukopolysaccharidosen (Poorthuis 1999, Baehner et al. 2005 , Moore et al. 2008, Orphanet 2018). Für MPS Typ 2 wurde eine Prävalenz von 0,6– bis 0,68 pro 100 000 Lebendgeborenen (Poorthuis 1999, Baehner et al. 2005, Orphanet 2018) bzw. 1,30 pro 100 000 männlichen Neugeborenen ermittelt (Poorthuis 1999). Mit einer Prävalenz in Höhe von 0,16 – 0,23 pro 100 000 Neugeborenen ist M. Maroteaux-Lamy (MPS Typ 6) noch seltener (Baehner et al. 2005, Orphanet 2018). Für MPS Typ 4a wird geschätzt, dass in Deutschland insgesamt 97 Menschen von der Erkrankung betroffen sind (Leadley et al. 2014).
M. Pompe ist eine Glykogenose (Typ 2) mit Funktionsstörungen des Herzens und der Muskulatur. Betroffene Kinder sterben meist innerhalb des ersten Lebensjahres. Bei Jugendlichen und Erwachsenen kann die Muskelschwäche zu Atemstörungen führen, diese Patienten können ein mittleres Lebensalter erreichen. Viele Patienten sind auf Beatmung und Rollstuhl angewiesen. In den Niederlanden wurde für die infantile Form eine Häufigkeit von 0,72 pro 100 000 Neugeborenen und für die Form mit einem späteren Krankheitsausbruch eine Prävalenz von 1,75 pro 100 000 Neugeborenen geschätzt, wobei die Autoren davon ausgehen, dass die tatsächlichen Zahlen wahrscheinlich höher liegen. Für beide Formen zusammen ergibt sich daraus eine Prävalenz in Höhe von 2,50 pro 100 000 (Ausems et al. 1999 ). In einer aktuellen Quelle wird die Zahl der Patienten mit 1 pro 283 000 angegeben (Schoser 2015). Für die GKV ergibt sich daraus, dass ca. 250 diagnostizierte Patienten zu erwarten sind.
Bei der Hypophosphatasie ist die Aktivität der in Serum und Knochen vorkommenden alkalischen Phosphatase vermindert. Daraus resultiert als Hauptsymptom eine gestörte Mineralisation von Knochen und Zähnen. d. h., es werden zu wenig oder im Extremfall gar keine Mineralien in Knochen und Zähne eingebaut. Die Symptomatik kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein: Manche der betroffenen Kinder werden bereits tot geboren, während in anderen Fällen lediglich ein frühzeitiger Zahnverlusat auffällig sein kann. Seit 2015 steht erstmals ein Arzneimittel für die Enzymersatztherapie zur Verfügung. Entsprechend dem Beschluss des G-BA zur Nutzenbewertung wird davon ausgegangen, dass die Zielpopulation in GKV ca. 1000 Patienten umfasst (G-BA 2018).
Zum Kurzdarmsyndrom kann es nach Entfernung eines großen Teils des Darms kommen; in seltenen Fällen kann die Störung bereits angeboren sein. Bei der Erkrankung ist die Funktion des verbliebenen Restdarms in der Form beeinträchtigt, dass es zu einer sog. Malabsorption kommt. D. h., die Darschleimhaut ist nicht mehr in der Lage, in ausreichendem Maße Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen. Die Patienten sind daher auf eine parenterale Ernährung angewiesen, also auf eine intravenöse Zufuhr der benötigten Nährstoffe. Diese Form der Ernährung ist einerseits mit hohem Aufwand verbunden und führt außerdem bei Durchführung über einen längeren Zeitraum regelhaft zu Komplikationen. Für das nach Operationen auftretende Kurzdarmsyndrom wurde 2014 ein Wirkstoff eingeführt, der die Kapazität der Darmschleimhaut zur Aufnahme von Nährstoffen erhöht. Die Höhe der Zielpopulation in der GKV wird mit 1100 bis 2400 erwachsenen Patienten angenommen (G-BA 2015) sowie zusätzlich 250 bis 500 Kinder zwischen 1 und 17 Jahren (G-BA 2017).
Die Anzahl der Patienten, bei denen derzeit ein Behandlungsbedarf besteht, lässt sich anhand der existierenden Daten für Deutschland nur schwer schätzen. Anhand der verbrauchten Menge der Wirkstoffe kann jedoch die ungefähre Zahl der behandelbaren Patienten berechnet werden. Die in der Tabelle aufgeführten Teil-Indikationsgruppen zur Behandlung der oben beschriebenen Erkrankungen machen mehr als 90 % der Ausgaben für die Indikationsgruppe aus. Unter der Annahme, dass jeder Betroffene 1 DDD am Tag verordnet bekommt, konnten mit Mitteln dieser Teil-Indikationsgruppen im Jahr 2017 insgesamt 1186 und im Jahr 2016 insgesamt 1062 Patienten behandelt werden. Da die Enzyme nach Körpergewicht dosiert werden und die Dosierung je nach Symptomatik unterschiedlich sein kann, kann die Zahl der behandelbaren Patienten durchaus auch höher liegen als hier geschätzt.
Es ist davon auszugehen, dass die Zahlen der behandelbaren Patienten in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden, nicht zuletzt dadurch, dass die Erkrankung bei mehr Patienten diagnostiziert wird. Die Enzymersatztherapie ist für die Patienten notwendig, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern und die Symptome besser zu kontrollieren. Von einer Überversorgung ist nicht auszugehen, da der Zugang zur Therapie in der Regel über entsprechende Zentren erfolgt. Ob eine Unterversorgung vorliegt, kann auf Basis der vorliegenden Informationen nicht beurteilt werden. Bei einigen Erkrankungen (s. o.) ist davon auszugehen, dass es eine hohe Zahl nicht oder falsch diagnostizierter Fälle gibt. Insofern ist es wahrscheinlich, dass etliche Patienten nicht oder nur unzureichend behandelt werden können.