Veröffentlicht am: 14.12.23
Die moderne Geschichte der Mittel zur Behandlung der Hypertonie beginnt 1952 mit der Einführung von Reserpin, einem Alkaloid aus der Indischen Schlangenwurzel (Rauwolfia serpentina). Heute ist der Wirkstoff nur noch als Kombinationspräparat mit einem Diuretikum verfügbar. Bereits 1959 wurden die Diuretika Hydrochlorothiazid (HCT) und Furosemid eingeführt, die noch heute als Standard gelten. Insbesondere HCT ist ein wichtiger Bestandteil zahlreicher Fixkombinationen zur Blutdrucksenkung. 1960 wurde das Alpha-Methyldopa entdeckt. Heute ist es nur noch deshalb von Bedeutung, weil es zu den bevorzugten blutdrucksenkenden Mitteln in der Schwangerschaft gehört. Ebenfalls 1960 wurde mit Spironolacton der erste Aldosteron-Antagonist eingeführt. Aldosteron-Antagonisten werden zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz empfohlen (McMurray et al. 2012).
Schon 1948 wurde von Ahlquist die Theorie der Alpha- und Betarezeptoren formuliert: Über Alpharezeptoren wird an den Blutgefäßen eine Vasokonstriktion und damit Blutdrucksteigerung bewirkt, die sich durch eine Alpharezeptor-Blockade verhindern lässt. Durch Blockade der Betarezeptoren kommt es bei Patienten mit Bluthochdruck zu einer Blutdrucksenkung, woran verschiedene Mechanismen beteiligt sind, die bis heute nicht komplett aufgeklärt sind. Über den ersten wirklichen Betablocker Pronethalol (Nethalid) berichteten der spätere Nobelpreisträger Sir James Whyte Black und Stephenson 1962 (Black und Stephenson 1962). Pronethalol wurde jedoch wegen möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen nicht weiterentwickelt, wohl aber das Propranolol, ebenfalls durch Sir James Black und seine Mitarbeiter. Als Folge dieser Forschungsarbeiten kam 1964 das noch heute gebräuchliche Propranolol auf den Markt (Stapleton 1997). Die geniale Idee von Sir James Black war, Wirkstoffe zu entwickeln, die den Sauerstoffbedarf des Herzens reduzieren, denn die Betablocker wurden zunächst zur Behandlung der Angina pectoris entwickelt und die Symptome der Angina sind Ausdruck eines Sauerstoffmangels des Herzens. Black verfolgte damit einen völlig anderen Ansatz als alle anderen, die Wirkstoffe zur Gefäßerweiterung („Koronardilatatoren“) entwickelten (Stapleton 1997). Propranolol hemmt sowohl Beta-1- als auch Beta-2-Rezeptoren. Zur Behandlung der Hypertonie werden heute sogenannte beta-1-selektive Rezeptorblocker bevorzugt. Der heute am häufigsten eingesetzte Vertreter dieser Gruppe, das Metoprolol, wurde in Deutschland 1976 eingeführt. Als erster Alphablocker wurde in den frühen 1970er-Jahren das Prazosin synthetisiert. Alphablocker sind heute für die Therapie des Bluthochdrucks von untergeordneter Bedeutung.
1963 wurde mit Verapamil der erste Calciumantagonist eingeführt, doch erst 1967 wurde der Wirkmechanismus beschrieben (Fleckenstein et al. 1967). Heute spielt das Verapamil für die Therapie der Hypertonie praktisch keine Rolle mehr. Ein weiterer Meilenstein war 1970 die Einführung von Nifedipin, dem ersten Calciumantagonisten ohne direkte kardiale Wirkung. Nifedipin begründete die Gruppe der Dihydropyridine, zu der auch die heutigen Standard-Calciumantagonisten gehören. Nifedipin hat zwar keine direkten Wirkungen auf das Herz, doch die durch den Wirkstoff ausgelöste Gefäßerweiterung führt reflektorisch zu einem unerwünschten Anstieg der Herzfrequenz. Dies lässt sich vermeiden, wenn Nifedipin in retardierter Form angewendet wird oder statt Nifedipin ein Calciumantagonist mit verzögertem Wirkungseintritt und langer Wirkdauer. So wurden nach und nach Wirkstoffe mit immer längerer Wirkdauer und verzögertem Beginn der Wirkung eingeführt. Als Standard gilt heute Amlodipin, das 1994 auf den Markt kam.
Das Renin-Angiotensin-System ist von zentraler Bedeutung für die Regulation des Blutdrucks. Bereits 1898 hat man in Nierenextrakten das Renin entdeckt. 1940 wurde erstmals das Angiotensinogen beschrieben, in den 1950er-Jahren das Angiotensin-Konversions-Enzym (ACE). Renin führt zur Bildung von Angiotensin I aus Angiotensinogen, und ACE wandelt Angiotensin I in Angiotensin II (AT II) um, das über zahlreiche Mechanismen den Blutdruck erhöht und zu Umbauprozessen an Herz und Blutgefäßen führt, aber auch die Nierenfunktion beeinflusst. Mit der Einführung von Wirkstoffen, die direkt in das Renin-Angiotensin-System eingreifen, begann seit den 1980er-Jahren eine neue Ära in der Behandlung des Bluthochdrucks. Heute stehen drei verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung: die ACE-Hemmer, die Angiotensinrezeptor-Antagonisten (AT-II-Antagonisten) und ein Renin-Inhibitor. Der erste Wirkstoff war der in Deutschland 1981 eingeführte ACE-Hemmer Captopril. Der heute am häufigsten verordnete ACE-Hemmer ist das seit 1990 verfügbare Ramipril. ACE-Hemmer vermindern die Bildung von Angiotensin II (AT II) aus Angiotensin. Diese Wirkstoffe werden nicht nur zur Behandlung der Hypertonie eingesetzt, sondern sind neben den Betablockern auch von fundamentaler Bedeutung bei der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. Erster Vertreter der AT-II-Antagonisten – auch Sartane genannt – war das Losartan, das seit 1995 in Deutschland erhältlich ist. Sartane wirken an den AT-II-Rezeptoren und blockieren dort die Wirkung von AT II. Renin-Inhibitoren verhindern, dass aus Angiotensinogen das Angiotensin I freigesetzt wird. Bislang gibt es mit Aliskiren (2007) nur einen Vertreter der Gruppe, doch konnte dieser Wirkstoff nicht an den Erfolg der ACE-Hemmer und Sartane anknüpfen. Eine weitere Neuentwicklung wurde 2016 mit dem Sacubitril verfügbar gemacht. Der Wirkstoff wird mit einem Sartan kombiniert und fungiert als Neprilysin-Hemmer. Als solcher hemmt er den Abbau vasoaktiver Peptide, wie z. B. von Bradykinin. Die vasoaktiven Peptide spielen eine Rolle beim Pathomechanismus der Herzinsuffizienz, indem sie die verminderte Herzleistung durch eine Gefäßverengung und eine verminderte Salz- und Wasserausscheidung kompensieren. Langfristig führen die Kompensationsmechanismen jedoch zu einem pathologischen Umbau am Herzmuskel (Remodelling), sodass die Kompensation nicht mehr möglich ist.
Seit Ende der 1990er-Jahre wurden auch wesentliche Fortschritte in der medikamentösen Therapie der pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH) erzielt. Die PAH ist eine seltene chronische Erkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch einen erhöhten Lungenarteriendruck, hervorgerufen durch einen fibrotischen Umbau der Lungengefäßwände. Dies führt zu einer Rechtsherzinsuffizienz und schließlich zum Tod. Bei der PAH ist die Produktion verschiedener Signalstoffe verändert, insbesondere NO (Stickstoffmonoxid), Endothelin (ET1) und Prostacyclin (Seferian und Simonneau 2013). NO führt zu einer Vasodilatation und senkt so den Druck in Blutgefäßen, indem es die lösliche Guanylatcyclase (sGC) aktiviert und die Freisetzung des Botenstoffs cGMP veranlasst. Durch Hemmung der Phosphodiesterase 5 (PDE-5) kann der Abbau von cGMP vermindert werden. Mit Sildenafil wurde 1998 der erste PDE-5-Hemmer eingeführt. Seit 2014 steht Riociguat zur Verfügung, das unabhängig von der NO-Konzentration direkt die sGC stimuliert. ET-1 wirkt stark gefäßverengend und fördert die Proliferation von Gefäßmuskelzellen. Hier setzen die Endothelinrezeptor-Antagonisten an, als deren erster Vertreter 2002 das Bosentan eingeführt wurde.