Meilensteine bei den Antibiotika J01 Antibiotika zur systemischen Anwendung

Veröffentlicht am: 20.06.23

Bis 1950
  • 1929: Entdeckung des Penicillins durch Fleming
  • 1935: Entwicklung der Sulfonamide durch Domagk
  • 1941: Erfolgreicher Einsatz von Penicillin bei Sepsis
  • 1943: Streptomycin als erstes Aminoglykosid wird isoliert
  • 1947: Entdeckung von Chloramphenicol
  • 1948: Erstes Tetrazyklin: Chlortetrazyklin
1951–1980
  • 1952: Erythromycin als erstes Makrolid-Antibiotikum
  • 1955: Erstmals Isolierung von Cephalosporinen
  • 1970er: Erweiterung des Wirkspektrums von Penicillinen durch den Betalaktamase-Hemmer Clavulansäure1968:
1981–2000
  • 1985: Carbapeneme erweitern das Wirkspektrum der Penicilline nochmals
  • 1987: Ciprofloxacin begründet die neue Gruppe der Fluorchinolone
Seit 2001
  • Entwicklung neuer Gruppen (Ketolide, Oxazolidinone, zyklische Lipopeptide und Glycylcycline)
  • Durch Resistenzentwicklungen ältere Wirkstoffe wieder von Bedeutung
  • Politische Maßnahmen zur Förderung der Neuentwicklung von Antibiotika

Die Geschichte der Antibiotika beginnt mit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming im Jahr 1929. Wenige Jahre später werden von Gerhard Domagk im Stammwerk der Bayer AG die Sulfonamide auf der Basis von Farbstoffen entwickelt. Sulfonamide waren über viele Jahrzehnte von großer Bedeutung und werden auch heute noch eingesetzt. Die Entwicklung des Penicillins zog sich über viele Jahre hin, wobei ein Problem war, es in ausreichenden Mengen herzustellen. Erst 1941 wurde es erstmals erfolgreich zur Behandlung einer Sepsis eingesetzt.

Bereits bis 1955 waren die ersten Vertreter fast aller heute noch relevanten Antibiotikagruppen entdeckt: 1943 die Aminoglykosid-Antibiotika in Form von Streptomycin, 1948 die Tetrazykline durch Chlortetrazyklin und 1955 die Cephalosporine. Das 1947 entdeckte Chloramphenicol war lange Zeit ein sehr wichtiger Wirkstoff wegen seiner unkomplizierten Anwendung und guten Lagerfähigkeit. Aufgrund seiner möglichen toxischen Effekte auf das Knochemark wird es heute nur noch zur Lokaltherapie bspw. am Auge eingesetzt.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Entdeckung der Betalaktamase-Hemmer in Form von Clavulansäure in den 1970er Jahren. Die chemische Struktur aller Penicilline und Cephosporine ist durch einen Betalaktamring gekennzeichnet, weshalb diese Antibiotika auch Betalaktam-Antibiotika genannt werden. Einige Bakterienarten sind in der Lage, den Betalaktamring durch das Enzym Betalaktamase zu zerstören und sind deshalb resistent gegen Betalaktam-Antibiotika. Durch Kombination von Penicillinen mit Betalaktamase-Hemmern lässt sich diese Resistenz überwinden und das Wirkspektrum der Penicilline erweitern. Von großer Bedeutung war auch die Entwicklung der Carbapeneme, erstmals in Form von Imipenem 1985. Durch diese weitere Untergruppe der Betalaktam-Antibiotika konnte ihr Spektrum nochmals relevant um sogenannte Problemkeime erweitert werden. Mittlerweile sind auch diese Wirkstoffe wegen Resistenzentwicklungen häufig unwirksam.

Eine wichtige Gruppe von Antibiotika stellen auch die synthetischen Chinolone oder Gyrasehemmer dar. Ihre Entwicklung begann 1962 mit Entdeckung der Nalidixinsäure, die jedoch wegen der raschen Resistenzentwicklung heute klinisch nicht mehr relevant ist. Erst mit Einführung des ersten fluorierten Chinolons, dem Norfloxacin, begann die Erfolgsgeschichte dieser Wirkstoffgruppe, als deren Standardwirkstoff heute das 1987 eingeführte Ciprofloxacin gilt. Es folgte die Einführung zahlreicher weiterer Chinolone, und die Gruppe entwickelte sich erfolgreich. Wegen Chinolon-typischer toxischer Effekte auf das Nervensystem und den Bewegungsapparat wurde ihr Einsatz zunehmend eingeschränkt. Aktuell werden sie nur noch als Reserveantibiotika verwendet.

In der Zeit nach 2000 wurden einige weitere neue Wirkstoffgruppen entwickelt: Als erster Vertreter der Gruppe der Ketolide wurde 2001 das Telithromycin eingeführt, ein halbsynthetisches Derivat des Erythromycins. Ebenfalls 2001 wurde Linezolid auf den Markt gebracht, der erste Vertreter aus der Gruppe der Oxazolidinone. Im Jahr 2006 kam mit dem Daptomycin ein „zyklisches Lipopeptid“ auf den Markt, das bei komplizierten Haut- und Weichteilinfektionen Anwendung findet. Zur neuen Gruppe der aus den Tetrazyklinen entwickelten Glycylcycline gehört das 2006 eingeführte Tigecyclin. Diese Gruppen sind allerdings von untergeordneter Bedeutung.

Um die Entwicklung neuer Antibiotika zu fördern, wurden auch politische Entscheidungen getroffen. Da neue Antibiotika in der Regel als Reservemittel zu betrachten sind, also nun in Notfallsituationen eingesetzt werden sollen, lohnt sich die Entwicklung finanziell kaum, da sich die Forschungs- und Entwicklungskosten nicht amortisieren. Daher gab es bis 2020 die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung durch die EIB (europäische Investitionsbank) im Rahmen des Programms Horizon 2020. Mit dem Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FKG) gilt seit dem 1. April 2020, dass Reserveantibiotika von der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V befreit sind. Damit entfällt für neue Reserveantibiotika nicht nur die Nutzenbewertung, sondern auch die anschließende Preisverhandlung.

Zwischen 2017 und 2021 sind in der Indikationsgruppe der Antibiotika drei neue Wirkstoffe bzw. Kombinationen eingeführt worden. Die 2021 neu eingeführten Antibiotika wurden als Reserveantibiotika anerkannt und müssen im Nutzenbewertungsverfahren nach § 35a SGB V keine Nachweise zum medizinischen Nutzen und Zusatznutzen vorlegen.