Veröffentlicht am: 19.12.20
Der Wert einer immunmodulierenden Therapie bei Multipler Sklerose (MS) steht außer Frage (z. B. Montalban et al. 2018). Die Beta-Interferone stehen seit 1996 als erste krankheitsmodifizierende Mittel (DMD: disease modifying drugs) bei MS zu Verfügung. Glatirameracetat wurde als weitere therapeutische Alternative 2001 eingeführt und – wie die Beta-Interferone – den Immunstimulanzien zugeordnet. Weitere immunmodulierende Wirkstoffe zur Behandlung der MS wurden ab 2006 eingeführt und aufgrund ihres Wirkmechanismus mehrheitlich als Immunsuppressiva (L04) klassifiziert. Auch das seit 2014 verfügbare Dimethylfumarat, das zunächst den Anderen Mitteln für das Nervensystem (N07) zugeordnet wurde, wird mittlerweile als Immunsuppressivum klassifiziert.
Die Beta-Interferone und Glatirameracetat müssen regelmäßig gespritzt werden (parenterale Anwendung), was in der Regel durch die Patienten selbst erfolgt. Auch ein Teil der zu den Immunsuppressiva gehörenden DMDs wird als Infusion verabreicht. DMDs, die als Tablette eingenommen werden (orale Anwendung) und damit die Durchführung der Therapie für die Patienten sicher erleichtern, wurden erstmals 2011 eingeführt. Die Einführung oral anwendbarer DMDs muss letztlich als einer der Gründe angesehen werden, dass der Verbrauch von Beta-Interferonen rückläufig ist.
Um dennoch einen Überblick über die Entwicklung der DMDs insgesamt zu geben, wird nachfolgend für alle diese Mittel dargestellt, wie sich Verbrauch und Umsatz seit 2006 entwickelt haben.
Der Verbrauch aller krankheitsmodifizierenden Mittel bei MS (DMD) hat sich zwischen 2005 und 2019 annähernd verdreifacht und lag 2019 bei 35,1 Mio. DDD. Der Anteil der Immunstimulanzien bei MS (Beta-Interferone und Glatirameracetat) lag 2019 bei weniger als der Hälfte des Verbrauchs (43,0 %). Mehr als ein Zehntel (11,2 %) entfiel auf die als Infusion (parenteral) verabreichten Immunsuppressiva bei MS und weitere 45,8 % auf oral (in Tablettenform) anwendbare DMDs aus den Indikationsgruppen der Immunsuppressiva (L04).
Der Zeitverlauf zeigt, dass der Verbrauch von Immunstimulanzien bei MS 2013 am höchsten war (20,4 Mio. DDD) und seitdem zurückgeht. Tatsächlich rückläufig war hier allerdings nur der Verbrauch von Beta-Interferonen, während Glatirameracetat sich stabil zeigte. Der Verbrauch von oral anwendbarem Fingolimod (Einführung 2011), Teriflunomid (Einführung 2013) sowie Dimethylfumarat (2014) stieg bis 2016 rasch an; seitdem hat sich der jährliche Zuwachs verlangsamt.
Der Verbrauchsrückgang von Beta-Interferonen folgte der Verfügbarkeit von oral anwendbaren DMD bei MS, sodass anzunehmen ist, dass hier teilweise eine Substitution stattgefunden hat.
Teil-Indikationsgruppe | Ausgaben in Mio. Euro | ||||
2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | |
Immunstimulanzien bei MS | 768,6 | 752,5 | 712,5 | 658,1 | 588,4 |
Immunsuppressiva bei MS | 710,7 | 706,1 | 802,2 | 898,4 | 906,0 |
Krankheitsmodifizierende Therapien bei MS gesamt | 1.479,3 | 1.458,6 | 1.514,7 | 1.556,5 | 1.494,4 |
Differenz zum Vorjahr | 12,1 | -20,7 | 56,1 | 41,8 | -62,1 |
Zuwachsrate | 0,8 % | -1,4 % | 3,8 % | 2,8 % | -4,0 % |
Quelle: IGES-Berechnungen nach NVI (INSIGHT Health) |
Für krankheitsmodifizierende Wirkstoffe (DMD) bei MS gab die GKV 2019 mehr fast 1,5 Mrd. Euro aus, dies waren jedoch 62,1 Mio. Euro weniger als 2018. Die Anteile der Immunstimulanzien bei MS lagen 2019 bei 39 %, die der Immunsuppressiva bei MS bei rund 61 %.
Im dargestellten Zeitverlauf von 2015 bis 2019 gingen die Ausgaben für die Immunstimulanzien bei MS um rund 23 % bzw. 180 Mio. Euro zurück. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben für Immunsuppressiva bei MS um knapp 28 % bzw. 195 Mio. Euro.
Im hier betrachteten Zeitraum von 2015 bis 2019 verhielten sich die Ausgaben für DMD bei MS relativ stabil und pendelten um einen Wert von 1,5 Mrd. Euro jährlich.