Veröffentlicht am: 01.11.22
Der G-BA kann zur Nutzenbewertung das IQWiG beauftragen. Im Allgemeinen erfolgt dies auch regelmäßig bei den meisten bewerteten Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen. Bei der Nutzenbewertung von Orphan Drugs im Sinne eines Orphan-Drug-Verfahrens wird das IQWiG in der Regel nicht beauftragt: Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben muss für Orphan Drugs der Zusatznutzen gegenüber einer zVT nicht durch vergleichende Studien demonstriert werden, sondern gilt durch die Zulassung prinzipiell als gegeben und es wird vom G-BA lediglich das Ausmaß des Zusatznutzens bestimmt. Sofern Orphan Drugs jedoch die jährliche Umsatzgrenze überschreiten (bisher 50 Mio. Euro, seit Beschluss des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes 30 Mio. Euro), müssen auch Orphan Drugs das Standardverfahren durchlaufen und das IQWiG wird mit der Nutzenbewertung beauftragt. In jedem Fall sind aber die Ergebnisse des IQWiG für den G-BA nicht bindend, sondern über das Ausmaß und die Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens beschließt ausschließlich dem G-BA.
Inhaltlich können sich die Bewertungsergebnisse der beiden Institutionen zum Zusatznutzen unterscheiden. Auch die Teilpopulationen können ggf. unterschiedlich abgegrenzt werden. Die folgende Analyse betrachtet den Vergleich der Bewertungen von IQWiG und G-BA hinsichtlich des Zusatznutzens.
Bis zum 31. Dezember 2021 hat der G-BA für insgesamt 664 Verfahren mindestens eine Patientenpopulation definiert und den Zusatznutzen bestimmt. Für 512 dieser Verfahren liegt auch eine Nutzenbewertung des IQWiG vor. Nachfolgend wird dargestellt, wie sich die Ergebnisse zur Nutzenbewertung für diese 401 Verfahren zwischen IQWiG und G-BA unterscheiden.
Seit 2011 wich der G-BA bezüglich der Patientengruppe mit der höchsten Zusatznutzenkategorie in 189 von 512 Verfahren von der Einschätzung des IQWiG ab, was einem Anteil von 37 % der betreffenden Verfahren entspricht. In 111 Verfahren (59 %) mit unterschiedlicher Bewertung schätzte der G-BA den Zusatznutzen der besten Subgruppe gegenüber der IQWiG-Nutzenbewertung als höher ein. In 78 Verfahren (41 %) dagegen attestierte der G-BA der jeweils besten Subgruppe des Verfahrens einen geringeren Zusatznutzen als das IQWiG. In 20 (13 %) der 111 Verfahren, die bei diesem Vergleich als vom G-BA höher bewertet klassifiziert wurden, war die höchste vom IQWiG vergebene Zusatznutzenkategorie ein nicht quantifizierbarer Zusatznutzen. Der G-BA bestimmte in diesen Fällen das Ausmaß des Zusatznutzens, jedoch kann dies nicht zwangsläufig als eine bessere Bewertung angesehen werden.
Hinsichtlich der Abweichungen des G-BA von den Nutzenbewertungen des IQWiG zeigt sich ein klarer Trend bei Betrachtung der Ergebnisverteilungen, wie in in der unteren Abbildung dargestellt ist. Während das IQWiG in 26 Verfahren (5,1 %) mindestens für eine Patientengruppe einen erheblichen Zusatznutzen attestierte, erkannte der G-BA die höchste Zusatznutzenkategorie nur in sechs Fällen (1,2 %) an (s. Abb. 5.2). Die Anzahl der Verfahren, in denen der G-BA einen beträchtlichen Zusatznutzen beschloss, lag dagegen mit 105 Verfahren (20,5 %) deutlich höher im Vergleich zum IQWiG mit 78 Verfahren (15,2 %). Gleichzeitig sah das IQWiG in 316 Verfahren (61,7 %) bei keiner Patientengruppe einen Zusatznutzen, der G-BA dagegen nur in 272 Verfahren (53,1 %). Damit zeigen die G-BA-Ergebnisse gegenüber denen des IQWiG tendenziell eine stärkere Häufung im mittleren Bereich der Zusatznutzenskala.