Veröffentlicht am: 14.12.23
Bei der Behandlung der arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) können Wirkstoffe aus verschiedenen – teilweise sehr großen – Wirkstoffgruppen verwendet werden.
Mit Ausnahme der Gruppe der Antihypertensiva, die nahezu ausschließlich bei der Therapie der Hypertonie eingesetzt werden, werden Wirkstoffe aus allen anderen Gruppen überwiegend zur Behandlung der Hypertonie eingesetzt, finden aber zusätzlich auch Anwendung bei weiteren Erkrankungen insbesondere des Herz-Kreislauf-Systems, z. B. bei der Herzinsuffizienz oder nach einem Herzinfarkt.
Ziel der Blutdrucksenkung ist es, das Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse (z. B. Herzinfarkt) zu verringern.
Im Gegensatz zu allen anderen Indikationsgruppen des Arzneimittel-Atlas, die jeweils durch eine therapeutische Untergruppe der ATC-Klassifikation definiert sind, fasst die Indikationsgruppe der Mittel zur Behandlung der Hypertonie fünf therapeutische Untergruppen als Teil-Indikationsgruppen zusammen. Hinzu kommt die Teil-Indikationsgruppe der Mittel bei pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH), die ohne diese Abgrenzung den Antihypertensiva zugeordnet würden.
Zur Behandlung der Hypertonie sind die Wirkstoffe aus den einzelnen Teil-Indikationsgruppen prinzipiell austauschbar (Mancia et al. 2013). In der Praxis werden bei der Auswahl jedoch die individuellen Gegebenheiten (z. B. Begleiterkrankungen und Verträglichkeit) berücksichtigt und nicht selten verschiedene Wirkstoffe kombiniert.
Von größter Bedeutung ist heute die Teil-Indikationsgruppe der Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System (C09). Die zugehörigen Arzneimittel werden bei Bluthochdruck eingesetzt und spielen außerdem eine wichtige Rolle in der Therapie der Herzinsuffizienz. Verschiedene Arzneimittel aus dieser Indikationsgruppe werden auch zur Prävention weiterer kardiovaskulärer Ereignisse eingesetzt, z. B. bei koronarer Herzkrankheit, nach Herzinfarkt oder bei Patienten mit Diabetes mellitus und kardiovaskulären Risikofaktoren. Weitere Einsatzgebiete sind für einige der Wirkstoffe bestimmte diabetische Nierenerkrankungen.
Die Teil-Indikationsgruppe der Betablocker (C07) fasst alle entsprechenden Wirkstoffe zusammen, also Arzneimittel, die die Betarezeptoren blockieren. Betablocker sind fester Bestandteil der antihypertensiven Therapie. Darüber hinaus finden Betablocker Anwendung bei Herzinsuffizienz, koronarer Herzerkrankung, nach Herzinfarkt, bei Herzrhythmusstörungen mit erhöhter Herzfrequenz (Tachykardie) und zur Migräneprophylaxe. Einige Betablocker sind zudem geeignet zur symptomatischen Therapie bei erhöhter Schilddrüsenfunktion (Hyperthyreose) sowie bei Tremor.
Alle in der Teil-Indikationsgruppe der Calciumkanalblocker (C08) zusammengefassten Wirkstoffe haben gemeinsam, dass sie spannungsabhängige Calciumkanäle hemmen. Je nach Wirkstoffklasse gehören zu den Anwendungsgebieten die arterielle Hypertonie, Angina pectoris, andere Formen der Angina sowie Störungen des Herzrhythmus (supraventrikuläre Tachykardien und Vorhofflimmern mit schneller Überleitung auf die Herzkammern).
Diuretika (C03) gehören zu den ältesten Wirkstoffen der modernen Pharmakotherapie. Heute noch gebräuchliche Standardwirkstoffe wurden bereits in den 1950er-Jahren entwickelt. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Hypertonie und werden eingesetzt bei Herzinsuffizienz sowie bei Ödemen unterschiedlicher Ursache.
Die Teil-Indikationsgruppe der Antihypertensiva (C02) ist eine heterogene Gruppe von Arzneimitteln und heute von untergeordneter Bedeutung. Die Wirkstoffe dieser Gruppe wirken über verschiedene Mechanismen blutdrucksenkend.
Zur Teil-Indikationsgruppe der Mittel bei pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH) gehören Arzneimittel, die hauptsächlich bei dieser seltenen Erkrankung eingesetzt werden.
In der Teil-Indikationsgruppe der Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System (C09) sind prinzipiell drei Wirkstoffklassen zu unterscheiden. Hinzu kommen diverse Varianten von Fixkombinationen mit diesen Mitteln. Das Renin-Angiotensin-System (RAS) gilt als das wichtigste Hormonsystem zur Kontrolle des Blutdrucks. Die klassische Achse des RAS umfasst das Enzym Renin, das aus Angiotensinogen Angiotensin I freisetzt. Aus diesem wiederum setzt das Angiotensin-Konversions-Enzym (ACE) das Angiotensin II (AT II) frei. AT II wirkt auf AT-II-Rezeptoren und dadurch kommt es u. a. zur Gefäßverengung, Natriumretention, Zellproliferation und erhöhter Aldosteronausschüttung. Daraus entwickelt sich die arterielle Hypertonie (Carey 2013). Die Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System greifen jeweils an bestimmten Stellen des RAS an, führen so zur Blutdrucksenkung und haben positive Effekte bei der Herzinsuffizienz. Die ACE-Hemmer hemmen das ACE und vermindern so die Bildung von AT II, die AT-II-Antagonisten (Sartane) blockieren die Wirkung von AT II am entsprechenden Rezeptor, und die Renin-Antagonisten verhindern, dass Renin Angiotensin I freisetzt. Neprilysin-Hemmer vermindern den Abbau verschiedener Peptide, die auf die Blutgefäße wirken (sog. vasoaktive Peptide). Dadurch soll der langfristig negative Effekt von Gefäßverengung und verringerter Natriumausscheidung auf das Herz (das Remodelling) abgeschwächt werden. Der bisher einzige Neprilysin-Hemmer, das Sacubitril, wird in Kombination mit Valsartan bei Herzinsuffizienz eingesetzt.
In der Teil-Indikationsgruppe der Betablocker sind ebenfalls drei prinzipielle Wirkstoffklassen der Betablocker an sich zu unterscheiden und zusätzlich die verschiedenen Fixkombinationen mit Betablockern. Wichtigstes Differenzierungskriterium für die Betablocker ist, an welchen Rezeptortypen sie wirken. Die sogenannten adrenergen Rezeptoren (Liganden sind Adrenalin und Noradrenalin) werden in die Alpha- und Betarezeptoren unterteilt und diese wiederum in verschiedene Subtypen. Man geht derzeit davon aus, dass es drei Typen von Betarezeptoren gibt (beta 1, beta 2 und beta 3). Betablocker wirken prinzipiell auf Beta-1- und Beta-2-Rezeptoren. Wirkstoffe, die an beiden Rezeptortypen wirken, gehören zum Therapieansatz der nichtselektiven Betablocker, Wirkstoffe, die nur oder überwiegend an Beta-1-Rezeptoren wirken, zu den selektiven Betablockern. Die selektiven Beta-1-Blocker wurden in der Hoffnung entwickelt, dass sich ihre Wirkung auf das Herz beschränkt; allerdings wurde diese Organspezifität („Kardioselektivität“) nicht definitiv nachgewiesen (Wachter und Gilbert 2012). Die Beta-1-Selektivität ist dennoch von großer Bedeutung, insbesondere bei der Herzinsuffizienz. Warum Betablocker den Blutdruck senken, ist immer noch nicht komplett geklärt. Unter anderem kommt es unter der Therapie zu einer Minderung des Gefäßtonus, und dadurch sinkt der Blutdruck. Der Therapieansatz der Alpha-/Betablocker umfasst Wirkstoffe, die nicht nur Beta- sondern auch Alpharezeptoren blockieren. Durch die Alphablockade kommt es zusätzlich zu einer direkten Vasodilatation.
Calciumkanalblocker hemmen spannungsabhängige Calciumkanäle, wodurch der Calciumeinstrom in Zellen mit solchen Kanälen vermindert wird. Relevant sind vor allem die glatten Muskelzellen der Gefäßwände, einschließlich der Koronararterien, die Herzmuskelzellen und die Zellen des Reizleitungssystems der Herzens. Je nach Wirkstoffklasse ist der Effekt auf die genannten Zelltypen unterschiedlich. Wichtigster Therapieansatz ist aktuell die Gruppe der Dihydropyridine. Sie wirken überwiegend an den glatten Muskelzellen der peripheren Blutgefäße, wo sie zu verminderter Kontraktionsfähigkeit führen. Der Gefäßtonus nimmt ab, und der Blutdruck sinkt. Die Phenylalkylamine wirken überwiegend am Herzen und werden hauptsächlich deshalb eingesetzt, weil sie die Herzfrequenz vermindern. Sie verlieren jedoch seit vielen Jahren stetig an Bedeutung.
Diuretika führen zu einer vermehrten Flüssigkeitsausscheidung über die Niere. Dieser Effekt ist je nach Therapieansatz unterschiedlich ausgeprägt. Außerdem wirken Diuretika unterschiedlich auf die Rückresorption von Natrium und Kalium. Die Low-Ceiling-Diuretika haben einen mäßig diuretischen Effekt, die High-Ceiling-Diuretika wirken dagegen ausgeprägt diuretisch. Der diuretische Effekt beruht auf einer verminderten Rückresorption von Natrium in der Niere. Dadurch wird über die Nieren vermehrt Natrium und entsprechend mehr Wasser ausgeschieden. Sowohl die Low- als auch die High-Ceiling-Diuretika führen zu einem Verlust von Kalium über die Niere. Aldosteron-Antagonisten hemmen die Wirkung von Aldosteron an der Niere. Aldosteron führt zu einer Kaliumausscheidung. Daher hemmen Aldosteron-Antagonisten die Kaliumausscheidung und werden daher auch „kaliumsparende Diuretika“ genannt. Der diuretische Effekt ist mäßig. Prinzipiell können alle Diuretika den Blutdruck senken, überwiegend werden dazu aber die Low-Ceiling-Diuretika eingesetzt. Diuretika wirken durch die Natriumausscheidung indirekt diuretisch: Bei geringerer Natriumkonzentration wird über Rückkoppelungsmechanismen der Sollwert für den Blutdruck niedriger eingestellt. Diuretika verstärken die blutdrucksenkende Wirkung anderer Arzneimittel, wie z. B. von ACE-Hemmern.
Die Teil-Indikationsgruppe der Antihypertensiva ist eine heterogene Gruppe von Arzneimitteln und heute von untergeordneter Bedeutung. In dieser Teil-Indikationsgruppe gibt es verschiedene Therapieansätze. Im Wesentlichen wirken die meisten Arzneimittel aus diesen Ansätzen vasodilatierend.
Die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) ist eine seltene Erkrankung, dennoch ist das Angebot an Therapieansätzen in dieser Teil-Indikationsgruppe recht vielfältig. Kennzeichnend für die PAH ist der erhöhte Druck in den Lungenarterien, hervorgerufen durch einen fibrotischen Umbau der Gefäßwände. Bei der PAH ist die Produktion verschiedener Signalstoffe verändert, insbesondere NO (Stickstoffmonoxid), Endothelin (ET1) und Prostacyclin (Seferian und Simonneau 2013). NO führt zu einer Vasodilatation und senkt so den Druck in Blutgefäßen, indem es die lösliche Guanylatcyclase (sGC) aktiviert und die Freisetzung des Botenstoffs cGMP veranlasst. Hier greifen die Therapieansätze der PDE-5-Hemmer und der sGC-Stimulatoren an: Durch Hemmung der Phosphodiesterase 5 (PDE-5) kann der Abbau von cGMP vermindert werden. sGC-Simulatoren aktivieren die sGC direkt und unabhängig von der NO-Konzentration. ET-1 wirkt stark gefäßverengend und fördert die Proliferation von Gefäßmuskelzellen. Hier setzen die Endothelinrezeptor-Antagonisten an.