Meilensteine bei den Krebsmedikamenten L01 Antineoplastische Mittel

Veröffentlicht am: 12.10.22

Bis 1970
  • 1942 beginnen klinische Studien mit N-Lost-Derivaten, Abkömmlingen des zu Kampfzwecken eingesetzten Senfgases.
  • Wichtige N-Lost-Derivate sind Chlorambucil und Cyclophosphamid. Bereits in den 1950er-Jahren stehen neben den zu den Alkylanzien gehörenden N-Lost-Derivaten Wirkstoffe weiterer wichtiger Therapieansätze zur Verfügung: zytostatisch wirkende Antibiotika, Antimetaboliten, Vincaalkaloide und Podophyllotoxine.
1971–1980
  • Einführung der Platinverbindungen
1981–1990
  • Verschiedene Wirkstoffe werden eingeführt, doch kommt es nicht zu wesentlichen Neuerungen.
1991–2000
  • Einführung der Taxane, deren Erforschung bereits in den 1960er-Jahren begann.
  • Die Camptothecine Topotecan und Irinotecan kommen auf den Markt.
  • Mit Rituximab und Trastuzumab werden 1998 und 2000 erste wichtige monoklonale Antikörper eingeführt und läuten die Ära der zielgerichteten Therapie ein.
2001–2010
  • Mit Imatinib steht seit 2001 der erste Proteinkinase-Inhibitor für eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung und sorgt für einen Durchbruch bei der Therapie der Philadelphia-Chromosom-positiven chronisch-myeloischen Leukämie.
  • Vertreter weiterer Therapieansätze für eine zielgerichtete Therapie werden entwickelt: Proteasom-Inhibitoren, mTOR-Inhibitoren, Hedgehog-Inhibitoren, PI-3-Kinase-Inhibitoren.
2011-2020
  • Das Arsenal der Proteinkinase-Inhibitoren wird erweitert, sodass dieses Therapieprinzip für eine Reihe von Krebserkrankungen zur Verfügung steht, bspw. CDK4/6-Inhibitoren
  • Weitere neue Therapieansätze werden verfügbar: PARP-Inhibitoren, BLC-2 Inhibitoren
  • Brentuximab-Vedotin wird als erstes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat eingeführt.
  • Mit Ipilimumab zum Einsatz beim Melanom steht erstmals ein spezifisches Immunonkologikum zur Verfügung.
  • Mit Talimogen Iaherparepvec (T-Vec) wird die erste virenbasierte Krebstherapie verfügbar.
  • Axicabtagen-Ciloleucel und Tisagenlecleucel als erste CAR-T-Zell-Therapien verfügbar
  • Larotrectinib wurde als erste zielgerichtete Therapie unabhängig vom Tumortyp zugelassen.
Seit 2021
  • Tagraxofusp wird als erster Vertreter der Immunotoxine eingeführt
  • Selpercatinib und Pralsetinib begründen als selektive RET-Inhibitoren eine neue Unterklasse der Proteinkinasehemmer
  • Sotorasib ist der erste Wirkstoff, der KRAS hemmt, eines der wichtigsten Proteine, das bei Krebszellen mutiert ist

Die Entwicklung der antineoplastischen Arzneimittel ist eine Geschichte der Spezialisierung, d. h. ausgehend von zunächst sehr unspezifisch wirkenden Arzneimitteln wurden Wirkstoffe entwickelt, die immer gezielter das Wachstum nur von Krebszellen hemmen.

Die Geschichte der modernen Krebstherapie beginnt in den 1940er-Jahren ausgehend von einem Kampfstoff, dem Senfgas. Bereits in den 1950er-Jahren waren Vertreter der wichtigsten Therapieansätze bekannt. Typisch für die in dieser Zeit entwickelten Wirkstoffe ist, dass sie im Prinzip jede sich teilende Zelle schädigen können und wenig spezifisch auf Krebszellen wirken. Einige der Wirkstoffe gehören noch heute zu den Standardtherapeutika in der Onkologie, wie z. B. 5-Fluorouracil oder Cyclophosphamid.

Zwischen 1970 und 1990 wurden verschiedene neue Wirkstoffe eingeführt, jedoch wurden in dieser Zeit keine neuen Wirkprinzipien entwickelt.

Um die Jahrtausendwende revolutionierten die sogenannten zielgerichteten Therapien die Krebsbehandlung. Dabei handelt es sich um Wirkstoffe, die sich gezielt gegen Strukturen – Enzyme oder Rezeptoren – richten, die insbesondere bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen. Hier sind vor allem die monoklonalen Antikörper und die Proteinkinase-Inhibitoren zu nennen. Teilweise sind diese Arzneimittel nur bei ganz bestimmten Formen eines Krebses wirksam. Besonders erwähnenswert ist das Imatinib, das die Überlebenszeit bei der Philadelphia-Chromosom-positiven chronisch-myeloischen Leukämie drastisch verlängert.

Neben den Proteinkinase-Inhibitoren sind mittlerweile verschiedene weitere Therapieansätze entwickelt worden, die sich gezielt gegen bestimmte andere Strukturen in Krebszellen richten.

Als Neuentwicklung sind außerdem spezifisch wirkende Immunonkologika hervorzuheben, als deren erster Vertreter 2011 der Antikörper Ipilimumab zur Therapie des Melanoms eingeführt wurde. Immunonkologika fördern bestimmte Prozesse der körpereigenen Immunabwehr und können so das Tumorwachstum bremsen. Mit Talimogen Iaherparepvec (T-Vec) ist außerdem seit 2011 die erste virenbasierte Krebstherapie verfügbar.

Mit den ersten CAR-T-Zell-Therapien (Axicabtagen-Ciloleucel und Tisagenlecleucel) wurde 2018 ein völlig neues Therapieprinzip verfügbar gemacht, bei dem gentechnisch veränderte T-Zellen der betroffenen Patienten zum Einsatz kommen. Die Patientenzellen (T-Zellen, eine bestimmte Art von weißen Blutkörperchen) werden bei der gentechnischen Veränderung mit einem sogenannten CAR (chimärer Antigen-Rezeptor) ausgestattet. Die CAR bestehen aus einem auf der Zelloberfläche gelegenem Rezeptor, der bestimmte Strukturen auf Krebszellen erkennt und über diesen gezielt an die Krebszellen binden kann. Der Rezeptor ist an eine innerhalb der Zelle gelegene signalgebende Struktur gekoppelt, die bei Bindung an die Krebszelle die T-Zelle aktiviert, sodass diese die Krebszelle zerstören kann.

Seit 2019 ist Larotrectinib verfügbar. Es ist die erste zielgerichtete Therapie, die zur Behandlung von Tumoren mit NTRK-Fusionsprotein (neurotrophe Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen) zugelassen wurde, und zwar unabhängig von Tumortyp (z. B. Speicheldrüsen- oder Schilddrüsenkrebs). Bei diesen Tumoren werden sogenannte TRK-Fusionsproteine vermehrt gebildet, die onkogen sind, also zur Entstehung von Tumoren führen. Larotrectinib hemmt gezielt die TRK-Fusionsproteine.

Das 2021 eingeführte Tagraxofusp stellt das erste Immunotoxin dar: Der Wirkstoff verbindet das Interleukin 3 mit einem modifizierten Diphtherietoxin. Nach Bindung an den IL-3-Rezeptor, die sich in hoher Konzentration auf bestimmten Krebszellen finden, wird das Toxin freigesetzt und bewirkt einen programmierten Zelltod.