Veröffentlicht am: 16.12.18
Die Analysen haben gezeigt, dass auch Arzneimittel einem Produktlebenszyklus unterworfen sind. Dieser sorgt dafür, dass eine öffentliche Finanzierungsinstitution wie die gesetzliche Krankenversicherung regelhaft erwarten kann, dass in einem Therapiegebiet anfänglich hohe Ausgaben nach Ablauf der Patentlaufzeit geringeren Ausgaben weichen, wobei später oftmals wesentlich größere Mengen verbraucht werden. Die Innovationszyklen ähneln dem Lebenszyklus eines Produkts und zeigen ebenfalls die charakteristischen Phasen des Umsatzwachstums, der Sättigung und schließlich des Umsatzrückgangs nach Ablauf des Zyklus, wenn alle Wirkstoffe generisch verfügbar sind.
Im Unterschied zu vielen Konsumgütern verschwinden diese Produktgruppen aber meist nicht, weil sie danach über einen langen Zeitraum Teil der Versorgung einer Bevölkerung werden. In der Praxis bilden sich diese Innovationszyklen oft auf der Basis zahlreicher einzelner Wirkstoffe, die zu sogenannten Therapieansätzen oder Indikationsgruppen aggregiert werden. Diese überlagern sich im Lauf der Entwicklung und bilden damit einen Innovationszyklus. Das beobachtete Ausgabenwachstum, das sich aus der Innovationsaktivität in bestimmten Indikationsgruppen ergibt, wird daher auch immer gleichzeitig gebremst durch Umsatzrückgänge in anderen Gruppen, die sich anderen Phasen eines Innovationszyklus befinden. In der Regel führt diese Kompensation erst dann zu einem Ausgabenrückgang, wenn das Innovationsgeschehen weitgehend zum Stillstand gekommen ist.
Es ist davon auszugehen, dass die Gesetzmäßigkeiten der hier am Beispiel der Mittel zur Behandlung der Hypertonie untersuchten Innovationszyklen auch für alle anderen Indikationsgruppen gelten. Das heißt, dass auch für Indikationsgruppen mit derzeit starkem Wachstum aufgrund von Innovationstätigkeit – wie beispielsweise Immunsuppressiva oder Krebsmittel – irgendwann der Zyklus abgeschlossen sein wird und die Umsätze und damit die Ausgaben für diese Gruppen sinken werden. Es ist jedoch heute nicht abzusehen, wann die Entwicklung endet und ein ähnliches Bild wie bei den Antihypertensiva vollendet sein wird.
Die Gesetzmäßigkeiten, die sich aus der Analyse von Innovationszyklen ergeben, bedeuten aber auch, dass Arzneimittelausgaben so lange steigen, so lange die Innovationstätigkeit in einem Indikationsgebiet anhält und innovative Arzneimittel auf dem Markt verfügbar sein werden. Regulative Eingriffe können zwar kurzfristig eine Ausgabendämpfung oder sogar einen Ausgabenrückgang bewirken, aber den Trend weder mittel- noch langfristig brechen. Die Umsatzentwicklung des Arzneimittelmarktes ergibt sich stets aus der Überlagerung der Verläufe in den verschiedenen Indikationsgruppen, die sich jeweils in unterschiedlichen Phasen befinden.
Da aus Perspektive des Jahres 2017 und in der nahen Zukunft die Innovationstätigkeit in zahlreichen Indikationsgebieten besonders hoch ist und voraussichtlich auch in nächster Zeit hoch bleiben wird, ist weiterhin von wachsenden Umsätzen und damit Ausgaben auszugehen. Durch die Nutzenbewertung nach §35a SGB V wird dafür Sorge getragen, dass Mehrausgaben nicht für Produkte ohne Zusatznutzen entstehen.