Idealtypischer Lebenszyklus von Arzneimitteln

Veröffentlicht am: 20.12.18

Die untere Abbildung zeigt eine idealtypische Darstellung für die unterschiedlichen Lebensphasen eines Produkts bzw. Medikaments, welche im Zeitverlauf durchlebt werden. Insgesamt wird zwischen sechs Phasen differenziert. Diese haben unterschiedliche Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn des jeweiligen Produkts. Der Gewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen Umsatz und Kosten. Wenn der Umsatz hinter den Kosten zurückbleibt, wird kein Gewinn erzielt und das Produkt bzw. Medikament führt zu Verlusten.

Lebenszyklus von Arzneimitteln

Der dargestellte idealtypische Innovationszyklus zeigt die zeitlich aufeinanderfolgenden unterschiedlichen Lebensphasen für ein einzelnes Produkt. Die Unterteilung der einzelnen Phasen gemäß Guminski und Rauland (2002) erfolgt in:

  • Forschungs- und Entwicklungsphase: Es wird keinerlei Umsatz oder Gewinn erzielt. Für die Entwicklung eines Medikaments müssen finanzielle Investitionen getätigt werden.
  • Einführung: Das Medikament erhält die Zulassung und wird in den Markt eingeführt. In einem ersten Schritt muss bei den beteiligten Stakeholdern (z. B. Ärzten) Akzeptanz und Bekanntheit erlangt werden. Erste Erlöse können erzielt werden.
  • Wachstum: Schnelle Wachstumsraten führen zu steigendem Verbrauch und größerem Umsatz. Die Bekanntheit des Produkts vergrößert die Reichweite, indem die verordnenden Ärzte es mehr Patienten verschreiben. Somit wird Gewinn erzielt und der Profit erreicht seinen Höhepunkt.
  • Reife: Die Anzahl der neuen Patienten und damit die verordnete Menge steigen nicht mehr so stark an. Verbrauch und Umsatz erhöhen sich dennoch weiter, wobei die Wachstumsrate sich verlangsamt.
  • Sättigung: Das Marktpotenzial des Medikaments wurde nahezu ausgeschöpft. Neue Produkte kommen auf den Markt und fordern das alte Produkt heraus. Durch den steigenden Wettbewerb sinken Umsatz und Gewinn.
  • Niedergang: Das Medikament wird durch neue und bessere Produkte aus dem Markt gedrängt. Verbrauch und Umsatz des Produkts nehmen ab.

Wenn auch der idealtypische Lebenszyklus eines Medikaments denen anderer Produkte ähnelt, gibt es im pharmazeutischen Markt Bedingungen, die ihn von anderen Wirtschaftsbereichen abgrenzen. Dazu gehören:

  • Unelastische Konsumentennachfrage: Die Patienten haben morbiditätsbedingt einen Bedarf für bestimmte Arzneimittel, die in der Regel ärztlich verordnet werden. Die Patienten haben somit wenig aktiven Einfluss auf die Nachfrage.
  • Die Forschungs- und Entwicklungskosten des pharmazeutischen Unternehmers sind vergleichsweise hoch.
  • Patente sichern eine Zeit lang die Marktexklusivität und schützen somit die Produkte, deren Nachahmbarkeit häufig einfach ist. Der Patentschutz hält 20 Jahre an und gilt ab der Anmeldung des Patents. Aufgrund der häufig langen Forschungs- und Entwicklungszeiten für Arzneimittel besteht in der EU und weiteren Ländern die Möglichkeit, durch ein ergänzendes Schutzzertifikat (Supplementary Protection Certificate, SPC) die Marktexklusivität um weitere 5 Jahre zu verlängern, wenn zwischen Patentanmeldung und Zulassung eines Wirkstoffs mehr als 5 Jahre vergangen sind.
  • Die Vergütung wird über Versicherungen finanziert. Der Preis wird nicht durch direkte Interaktion zwischen Anbieter und Konsumenten bestimmt, sondern indirekt über Interaktionen zwischen Anbietern und Kostenträgern.

Aus diesem Zusammenspiel entsteht ein ständiger Druck auf die Preise einzelner Arzneimittel. Am Anfang der Zyklusphase sind diese in der Regel sehr hoch, um gegen Ende deutlich zu sinken. Dieser Druck spiegelt sich nicht nur auf der Ebene der einzelnen Produkte wider, sondern manifestiert sich auch in den höheren Aggregatsstufen, wie allen Produkten eines bestimmten Wirkstoffs oder definierten Wirkstoffgruppen. Im Arzneimittelmarkt werden ständig neue Arzneimittel eingeführt, sodass die Ausgaben für Arzneimittel insgesamt die Überlagerung der Lebenszyklen sehr vieler Einzelprodukte widerspiegeln, die sich jeweils in unterschiedlichen Phasen befinden. Solange die Innovationstätigkeit der Hersteller anhält, steigen die Ausgaben für Arzneimittel. Dadurch, dass immer wieder die Lebenszyklen einzelner Produkte bzw. Wirkstoffe auslaufen, wird der Anstieg jedoch begrenzt. Hierauf wird in Abschnitt 5.2 näher eingegangen.

Dem Marktdruck kann sich ein pharmazeutischer Unternehmer nur entziehen, wenn er weitere patentgeschützte Arzneimittel neu zulässt und diese in der Folge auch verordnet werden.

Die Kurvenverläufe können sich für einzelne Produkte, Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen sehr stark unterscheiden – sowohl in der Ausprägung entlang der Längs- als auch auf der Querachse. In den nachfolgenden Darstellungen wird daher nach Therapiegebieten differenziert, um den marktspezifischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Da keinerlei Informationen über den Unternehmensgewinn vorliegen, wird zurückgeführt auf Informationen zu Umsatz und Verbrauch (in DDD) sowie den daraus berechneten Umsatz je DDD, um die Preisentwicklung abzubilden. Die Umsätze sind als inflationsbereinigte Werte des Jahres 2017 ausgewiesen. Die Inflationsbereinigung erfolgte anhand des Verbraucherpreisindexes des statistischen Bundesamtes.