Beispiele aus dem Bereich der Krebstherapie: Imatinib und Capecitabin

Veröffentlicht am: 15.04.19

Anhand der Mittel zur Behandlung der Hypertonie wurde gezeigt, dass nach vielen Jahren der Innovation für eine gesamte Indikationsgruppe der Innovationszyklus abläuft und der Umsatz selbst bei weiter steigendem Verbrauch erheblich zurückgeht. Es wurde ferner demonstriert, dass sich die Umsatzentwicklung für die Indikationsgruppe insgesamt aus der Überlagerung der Umsatzentwicklungen verschiedenster Therapieansätze ergibt, denen wiederum die Umsatzentwicklungen der verschiedensten Wirkstoffe und Produkte zugrunde liegen. Es ist daher zu erwarten, dass auch in anderen großen Indikationsgruppen, die derzeit einen hohen Anteil an den Ausgaben haben, die Innovationszyklen abgelaufen sein werden und die Umsätze zurückgehen. Es kann allerdings heute nicht gesagt werden, wann dies der Fall sein wird.

Als Belege dafür, dass die Erwartung für in der Zukunft sinkende Umsätze korrekt ist, sind Beispiele einzelner Wirkstoffe anzusehen, bei denen es bereits heute nach Patentablauf zu Umsatzrückgängen gekommen ist. Wenn der Umsatzrückgang bei einzelnen Wirkstoffen beobachtet werden kann, muss er zwangsläufig nach Abschluss des Innovationszyklus in einer Indikationsgruppe auch für die Gruppe insgesamt zu erwarten sein, da sich die Umsatzkurve der Gruppe aus der Überlagerung der Kurven aller zugehörigen Wirkstoffe ergibt.

Dieser Abschnitt wirft daher einen genaueren Blick auf zwei Krebswirkstoffe, welche als Beispiele für eine Zyklusentwicklung stehen. Sie wurden einerseits ausgewählt, weil Arzneimittel gegen Krebs seit Jahren im Fokus der Debatte um die Ausgabensteigerung stehen, und andererseits, weil sich für die beiden ausgewählten Wirkstoffe der komplette bisherige Lebenszyklus im Beobachtungszeitraum abbilden lässt.

Die folgenden Abbildungen zeigen die Umsatz- und Verbrauchsentwicklung zwischen 2000 und 2020 für den Wirkstoff Imatinib. Imatinib wurde 2001 als erster Vertreter der Proteinkinase-Inhibitoren eingeführt, einem Therapieansatz mit völlig neuem Wirkmechanismus in der Onkologie, der inzwischen bei vielen weiteren Wirkstoffen für die Behandlung zahlreicher anderer Krebserkrankungen weiterentwickelt wurde. Imatinib wurde als Orphan Drug für die Behandlung der Philadelphia-Chromosom-positiven chronischen myeloischen Leukämie zugelassen und hat diese Erkrankung von einer in der Regel tödlich verlaufenden Krebserkrankung in eine chronisch verlaufende Krebserkrankung verwandelt. Der Umsatz von Imatinib stieg bis 2010 stetig an, ging bis 2016 leicht und ab 2017 erheblich zurück. Der Verbrauch stieg ebenfalls bis 2010 an und geht seitdem leicht zurück. Der Umsatz brach 2017 deutlich ein und fiel zusammen mit der Einführung von Generika, die seit Dezember 2016 verfügbar sind. Der langsame Verbrauchsrückgang ist auf die Konkurrenz weiterer Proteinkinase-Inhibitoren zurückzuführen, die mittlerweile eingeführt wurden und dem Imatinib Marktanteile streitig machten. Für die Zukunft ist ein weiterer Umsatzrückgang bei weiter steigendem Anteil von Generika zu erwarten. Bezogen auf die Umsatzkurve für das Imatinib-Original Glivec dauerte die Wachstumsphase bis 2010. Die Phase bis zum Patentablauf im Dezember 2016 kann als Reifephase beschrieben werden. Die Einführung generischer Wirkstoffe schlägt sich in der Umsatzentwicklung deutlich nieder, mit einem Umsatzrückgang von 50 % zwischen 2016 und 2017. Danach setzt die Niedergangsphase ein.

IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health)
IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health)

Um den anhaltenden Verdrängungswettbewerb von Glivec durch Generika besser sichtbar zu machen, zeigen die folgenden Abbildungen die monatsgenaue Umsatz- und Verbrauchsentwicklung für Imatinib ab dem Zeitpunkt des Patentablaufs. Während sich die Generika beim Umsatz nach anfänglicher Wachstumsphase bis in den Mai 2018 auf stabilem Niveau von ca. 30 % befanden, unterlag der Verbrauch einem stetigen Verdrängungswettbewerb, was zu einer Generikaquote von 57,9 % im Juni 2018 führte.

IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health)
IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health)

Ein weiteres Anschauungsbeispiel liefert der Wirkstoff Capecitabin, welcher ebenfalls im Jahr 2001 eingeführt wurde (siehe folgende Abbildung). Capecitabin ist zugelassen zur Behandlung bestimmter Formen von Darm-, Magen- oder Brustkrebs. Generische Wirkstoffe sind bereits seit Dezember 2013 verfügbar, sodass für Capecitabin eine längere Zeitspanne als für Imatinib nach Einführung der Generika betrachtet werden kann.

Die Umsatzentwicklung erreicht den Höhepunkt im Jahr 2010, wobei danach ein stetiger Niedergang einsetzt, welcher durch die Einführung der Generika nochmals beschleunigt wurde. Innerhalb von 4 Jahren sind alle Umsatzanteile des Originalpräparats an die Generika abgetreten. Gleiches gilt für den Verbrauch, wobei es nach einem leichten Verbrauchsrückgang zwischen 2012 und 2015 in den letzten Jahren wieder zu einem moderaten Wachstum kam.

IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health)
IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health)

Diese beiden Krebswirkstoffe stehen exemplarisch für eine Zyklusentwicklung auf Wirkstoffebene. In beiden Fällen zeigen sich erhebliche Rückgänge der Umsatzzahlen ab dem Zeitpunkt des Patentablaufs. Dieser wird flankiert von stetigen Verbrauchszahlen, welche für einen weitgehend stabilen Versorgungsbedarf für die Wirkstoffe stehen. Im Bereich der Onkologika wird sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren vermehrt vollziehen, da weitere neue Krebswirkstoffe nach und nach in den Verdrängungswettbewerb mit generischen Alternativen treten werden.