Hepatitis C

Veröffentlicht am: 14.09.17

Antivirale Mittel zur systemischen Anwendung: Bedarf und behandelbare Patienten
Erkrankung GKV 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
HIV/Aids Geschätzte Anzahl von Menschen mit HIV/Aids in Deutschland 1) 70.000 73.000 78.000 80.000 83.400 84.700 k. A.
HIV/Aids Geschätzte Anzahl von Menschen mit HIV-Diagnose in Deutschland 1) 59.000 64.000 66.000 70.100 72.000 k. A.
HIV/Aids Geschätzte Prävalenz von Menschen mit HIV-Diagnose in der GKV 2) 50.150 54.400 56.100 59.585 61.200 k. A.
HIV/Aids Behandelbare Patienten in der GKV 3) 37.705 40.196 42.717 45.776 48.888 51.302 55.071
Chronische Hepatitis C Prävalenz 4) ca. 100.000 ca. 100.000 ca. 100.000 ca. 100.000 ca. 100.000 ca. 100.000 ca. 100.000
Chronische Hepatitis C Behandelbare Patienten 5) ca. 8.000 ca. 6.500 ca. 8.500 ca. 5.000 ca. 7.300 ca. 15.400 ca. 10.400
1) jeweils nach den jährlichen Angaben des RKI (Eckdaten der Schätzung zu HIV/Aids in Deutschland)2) Annahme: Bedarf täglich 3 DDD, wobei für Fixkombinationen die DDD mit der Anzahl der enthaltenen Wirkstoffe multipliziert wurde; DDD von Boostern gingen in die Berechnung nicht ein3) Angenommen wurde, dass der Anteil der GKV-Versicherten bei 85 % liegt4) entsprechend Angaben des G-BA im Beschluss zum Nutzenbewertungsverfahren zu Sofosbuvir/Velpatasvir (G-BA 2017)5) Jeweils ausgehend von kompletten Therapiezyklen

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Für Infektionen mit dem HCV ist – gemessen an der Prävalenz von HCV-RNA im Blut – mit 0,2 % in der deutschen Bevölkerung zu rechnen (Poethko-Müller et al. 2013). Am häufigsten tritt der Genotyp 1 mit ca. 62 % auf (Hüppe et al. 2008). Die Behandlung einer Infektion mit HCV erfolgte bis Ende 2011 standardgemäß mit Peginterferon alpha, kombiniert mit dem antiviralen Wirkstoff Ribavirin (Sarrazin et al. 2010). 2011 kamen die Proteasehemmer Boceprevir und Telaprevir auf den Markt, die bei Infektionen durch den Genotyp 1 eingesetzt werden konnten. Seit 2014 wurden weitere Wirkstoffe zur Behandlung der chronischen Hepatitis C eingeführt, und die Anwendung von Peginterferon alpha, Boceprevir und Telaprevir wird inzwischen nicht mehr empfohlen (Sarrazin et al. 2015).

Für die Infektion mit HCV ist unter Annahme einer Prävalenz von HCV-RNA bei 0,2 % derzeit von mindestens 141.500 prävalenten Patienten mit einer HCV-Infektion auszugehen. Die tatsächliche Prävalenz dürfte allerdings etwas höher liegen, als in der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) ermittelt, da einerseits bestimmte Risikogruppen für HCV aus der Studie ausgeschlossen wurden (z. B. inhaftierte Personen), andererseits Personen mit intravenösem Drogenkonsum nicht repräsentativ vertreten sind.

Für die GKV geht der G-BA von einer Zielgruppe von rund 100.000 Patienten aus (G-BA 2017). Aus den verbrauchten Mengen lässt sich berechnen, wie viele Patienten jährlich hätten behandelt werden können. Für den Zeitraum 2010–2016 ergeben sich die in der oben gezeigten Tabelle die dargestellten Werte. Bei der Berechnung wurde für 2010–2013 lediglich der Ribavirin-Verbrauch berücksichtigt, das bis dahin in jedem Fall Bestandteil der Interferon-basierten Therapie sein musste. Für Infektionen mit den Genotypen 1 und 4 wurde eine mittlere Behandlungsdauer von 36 Wochen und eine tägliche Dosis von 1.200 mg angenommen, für Infektionen mit den Genotypen 2 und 3 eine Dauer von 20 Wochen und eine tägliche Dosis von 800 mg. Der Verbrauch wurde entsprechend der publizierten Anteile der Genotypen (Hüppe et al. 2008) gewichtet. Für 2015 wurde der Verbrauch von Daclatasvir, Ribavirin, Dasabuvir und Simeprevir nicht berücksichtigt, da diese Wirkstoffe in jedem Fall mit einem anderen kombiniert werden müssen. Für die verbleibenden Wirkstoffe (Boceprevir, Elbasvir/Grazoprevir, Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir, Sofosbuvir, Sofosbuvir/Ledipasvir, Sofosbuvir/ Velpatasvir und Telaprevir) wurden die möglichen Therapielängen ggf. gemittelt und der Verbrauch von einer DDD täglich angenommen. Es wurde immer von kompletten Therapiezyklen ausgegangen.

Im Ergebnis zeigt sich, dass 2010 rund 8.000 Patienten behandelbar waren – ein Niveau, das sich gut in das Niveau der Vorjahre (ca. 8.000–9000 behandelbare Patienten) eingliedert. 2011 ging die Anzahl der behandelbaren Patienten zurück. und erreichte nur rund 6.500 Patienten. Angesichts der erwarteten Einführung der Proteasehemmer Boceprevir und Telaprevir im Herbst 2011 sind in diesem Jahr die Behandlungen offenbar zurückgestellt worden. 2012 wurde mit rund 8.500 Patienten wieder das langjährige Niveau erreicht. 2013 war ein erheblicher Einbruch festzustellen, und die Schätzung ergibt nur etwa 5.000 behandelbare Patienten, auch dies ein Zeichen für zurückgestellte Therapien in Erwartung der noch besser wirksamen und einfacher anzuwendenden Wirkstoffe, mit deren Einführung im Jahr 2014 zu rechnen war. 2014 schließlich waren rund 7.300 Patienten behandelbar, ein Wert, der noch unter dem langjährigen Niveau liegt. Im Jahr 2015 verdoppelte sich mit der Einführung der neuen Therapien die Zahl der behandelbaren Patienten auf 15.000 Patienten. Für 2016 ergab sich ein Wert von 10.400 Patienten, womit die Zahl behandelbarer Patienten nur wenig über dem langjährigen Niveau vor Einführung der neuen DAA (direkt antiviral wirkende Substanzen) lag.

Einschränkend ist zu den geschätzten Zahlen der behandelbaren Patienten zu sagen, dass die Zahl der tatsächlich behandelten Patienten abweichen kann, da die tatsächliche Verteilung der Therapiedauern nicht bekannt ist. Unabhängig davon ist die Zahl der behandelbaren Patienten jedoch weitaus geringer als die der angenommenen prävalenten Patienten. Tatsächlich liegt die Zahl der HCV-Erstdiagnosen seit Jahren bei rund 5.000 jährlich (RKI 2016). Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass ein Großteil der betroffenen Patienten gar nicht weiß, dass bei ihnen eine chronische Hepatitis C vorliegt. Das HCV wird auf dem Blutweg übertragen und die wahrscheinlichsten Übertragungswege sind aktuell der intravenöse Drogengebrauch (ca. 76 %) sowie die sexuelle Übertragung bei MSM (Männer, die Sex mit Männern haben, ca. 8 %) (RKI 2016). Nicht zuletzt wegen der inzwischen sehr guten Behandlungsmöglichkeiten wurden vom Bundesministerium für Gesundheit sowie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C sowie anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen erarbeitet (BMG und BMZ 2016).

Literatur:

  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen BIS 2030 – Bedarfsorientiert Integriert Sektorübergreifend. 2016, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Strategie_BIS_2030_HIV_HEP_STI.pdf (23.05.2017)
  • G-BA. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII – Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V – Sofosbuvir/Velpatasvir. 2017, https://www.g-ba.de/downloads/39-261-2831/2017-01-05_AM-RL-XII_Sofosbuvir-Velpatasvir_2016-07-15-D-247_BAnz.pdf (22.05.2017)
  • Hüppe D, Zehnter E, Mauss S, Böker K, Lutz T, Racky S, Schmidt W, Ullrich J, Sbrijer I, Heyne R, Schober A, John C, Hey KH, Bokemeyer B, Kallinowski B, Möller B, Pape S, Gutmann M, Alshuth U, Niederau C. Epidemiologie der chronischen Hepatitis C in Deutschland – Eine Analyse von 10 326 Hepatitis-C-Virus-Infizierten aus Schwerpunktpraxen und -ambulanzen. Z Gastroenterol 2008;46(1):34–44
  • Poethko-Müller C, Zimmermann R, Hamouda O, Faber M, Stark K, Ross RS, Thamm M. Die Seroepidemiologie der Hepatitis A, B, und C in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2013;56(5):707–15
  • Robert Koch-Institut (RKI). Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland. Hepatitis C im Jahr 2015. Epid Bull 29/2016
  • Sarrazin C, Berg T, Ross RS, Schirmacher P, Wedemeyer H, Neumann U, Schmidt HH, Spengler U, Wirth S, Kessler HH, Peck-Radosavljevic M, Ferenci P, Vogel W, Moradpour D, Heim M, Cornberg M, Protzer U, Manns MP, Fleig WE, Dollinger MM, Zeuzem S. Update der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion. Z Gastroenterol 2010;48(2):289–351
  • Sarrazin C, Berg T, Buggisch P, Dollinger MM, Hinrichsen H, Hofer H, Hüppe D, Manns MP, Mauss S, Petersen J, Simon KG, van Thiel I, Wedemeyer H, Zeuzem S. Aktuelle Empfehlung zur Therapie der chronischen Hepatitis C1. S3 guideline hepatitis C addendum. Z Gastroenterol 2015;53(4):320–34