Veröffentlicht am: 04.12.24
Die Anderen Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel werden überwiegend bei seltenen Stoffwechselstörungen eingesetzt. Ursache dieser Erkrankungen sind oft angeborene Störungen, die dazu führen, dass bestimmte Enzyme in den Zellen entweder nicht oder fehlerhaft gebildet werden. Dadurch werden Stoffwechselwege gestört und es können sich giftige Stoffwechselprodukte in Körperzellen ansammeln und so zu Krankheitserscheinungen an den verschiedensten Organen führen. Die in dieser Gruppe zusammengefassten Arzneimittel können in der Regel nur bei einer ganz bestimmten Störung eingesetzt werden. Die zugrunde liegenden Erkrankungen sind meist selten, weshalb ein Großteil der hier betrachteten Arzneimittel zu den Orphan Drugs gehört bzw. gehörte.
Von den verschiedenen Teil-Indikationsgruppen sollen an dieser Stelle diejenigen vorgestellt werden, die in Bezug auf Verbrauch und Ausgaben die größte Bedeutung haben.
Ein Carnitinmangel kann verschiedene Ursachen haben: In seltenen Fällen wird zu wenig Carnitin im Körper gebildet; hier spricht man von primärem Carnitinmangel. Ein sekundärer Carnitinmangel ist Folge verschiedener Grunderkrankungen und kann z. B. bei Dialysepatienten auftreten.
Bei Patienten mit Morbus Fabry liegt ein angeborener Mangel des Enzyms Alpha-Galactosidase A vor. Bestimmte Bestandteile der Zellmembran, die Glykosphingolipide, werden dadurch vermindert abgebaut und lagern sich in den Geweben ab. Es kann zu Störungen der unterschiedlichsten Organe kommen, wie z. B. Hornhauttrübung, Störungen am Herzen, Einschränkung der Nierenfunktion oder Störungen des Nervensystems.
Auch bei Morbus Gaucher führt ein Gendefekt zu mangelnder Enzymaktivität, in diesem Fall der Beta-Glucocerebrosidase. Dadurch reichern sich Glucocerebroside in bestimmten Blutzellen an. Als Folgeerscheinung treten u. a. Entzündungsreaktionen, Schwellungen an verschiedenen Organen und bösartige Tumoren auf.
Ursache des Morbus Pompe ist ein angeborener Defekt des Enzyms Alpha-Glucosidase, das am Abbau des Glykogens in der Muskulatur beteiligt ist. Morbus Pompe gehört daher zu den Glykogenspeicherkrankheiten. Typisches Symptom der Erkrankung ist eine Muskelschwäche, die häufig auch das Zwerchfell betrifft und so die Atmung erschwert.
Obwohl die Indikationsgruppe Arzneimittel zur Behandlung sehr unterschiedlicher Erkrankungen umfasst, sind einige Therapieprinzipien typisch.
Das häufigste Therapieprinzip ist die Enzymsubstitution. Dabei erhalten die Patienten regelmäßig Infusionen eines biotechnologisch hergestellten Enzyms, durch das die fehlende oder fehlerhafte Enzymaktivität ausgeglichen werden kann. Diese Substitution muss lebenslang erfolgen. Beispiele für dieses Therapieprinzip ist die Gabe von Agalsidase alfa oder beta, die bei Morbus Fabry den Mangel an Alpha-Galactosidase A ausgleicht, von Imiglucerase und Velaglucerase alfa bei Morbus Gaucher, Aglucosidase alfa bei Morbus Pompe oder von Idursulfase bei Mukopolysaccharidose Typ 2. Mit Givosiran wird ein weiteres Prinzip der Enzymhemmung umgesetzt: Als RNA-Silencer vermindert es die zelluläre Biosynthese eines bestimmten Enzyms.
Das Therapieprinzip einer Enzymstabilisierung kann angewendet werden, wenn eine angeborene Stoffwechselerkrankung durch eine Störung der Enzymfunktion verursacht ist und nicht durch einen absoluten Enzymmangel. Ein Beispiel dafür ist das Migalastat, das bei Morbus Fabry eingesetzt werden kann, wenn bestimmte Mutationen der Alpha-Galactosidase A vorliegen. Migalastat lagert sich an die Alpha-Galactosidase A an und fungiert als „Faltungshelfer“. Das heißt, durch Migalastat wird die Konformation bzw. Faltung des Enzyms so verändert, dass es seine Funktionsfähigkeit teilweise wiedererlangt und Glykosphingolipide wieder abbauen kann. Man bezeichnet dieses Wirkprinzip auch als pharmakologischer Chaperon. Ein weiteres Beispiel ist das bei Phenylketonurie eingesetzte Sapropterin.
Bei vielen angeborenen Stoffwechselerkrankungen werden bestimmte Stoffwechselprodukte nicht abgebaut und führen zu Schäden im Organismus. Durch Enzymhemmung kann erreicht werden, dass toxische Stoffwechselprodukte vermindert gebildet werden. Ein Beispiel dafür ist das Nitisinon, das bei Tyrosinämie Typ 1 zum Einsatz kommt. Bei der Erkrankung ist der Abbau der Aminosäure Tyrosin gestört, der normalerweise in mehreren enzymatischen Schritten erfolgt. Durch Nitisinon wird ein früher Schritt des Tyrosinabbaus gehemmt, sodass die toxischen Abbauprodukte nicht mehr oder vermindert gebildet werden. Weitere Beispiele für Enzymhemmer sind Miglustat und Eliglustat bei Morbus Gaucher.
Mittlerweile kommen auch Gentherapien zum Einsatz, bspw. bei der metachromatischen Leukodystrophie, bei der das Enzym Arylsulfatase A (ARSA) fehlerhaft ist, was zur Ansammlung von Stoffwechselprodukten führt, die u. a. das Nervensystem schädigen. Die Gentherapie basiert auf, dass patienteneigene Blutstammzellen (sogenannte CD4-Zellen) mit einem viralen Vektor behandelt werden, der diese mit einer korrekten Version des Gens für ARSA ausstattet. Die so veränderten Zellen vermehren sich im Organismus der Patienten und produzieren funktionstüchtige ARSA.