Meilensteine bei Mitteln aus dem Bereich Ernährung und Stoffwechsel A 16 Andere Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel Mittel aus dem Bereich Ernährung und Stoffwechsel werden vor allem bei seltenen Stoffwechselerkrankungen eingesetzt. Die Ausgaben der GKV lagen 2022 bei rund 678 Mio. Euro, ein Rückgang von vier Prozent gegenüber 2021.

Veröffentlicht am: 14.12.23

Bis 1970
  • 1960er: Zinkacetat bei Morbus Wilson
1970–1980
  • Seit Ende 1970er: Erprobung von Natriumphenylbutyrat bei Störungen des Harnstoffzyklus
1981–1990
  • 1983: Einführung von Levocarnitin zur Behandlung von Carnitinmangel
1991–2000
  • 1998: Mercaptamin bei nephropathischer Cystinose
  • 1998: Imiglucerase als erstes biotechnologisch hergestelltes Enzym zur Behandlung einer angeborenen Stoffwechselkrankheit
  • 2000: Natriumphenylbutyrat in Deutschland verfügbar (bei Ornithin-Transcarbamylase-Mangel)
2001–2010
  • 2003: Miglustat als erster Enzymhemmer zur Vermeidung toxischer Stoffwechselprodukte
  • 2004: Carglumsäure als Enzymaktivierer bei NAGS-Mangel
  • 2009: Sapropterin als erster Enzymstabilisierer (pharmakologischer Chaperon)
  • 2009: Lieferengpass für Imiglucerase durch Störung des Produktionsprozesses zeigt, wie wichtig Alternativen sind.
Seit 2010
  • 2014: Teduglutid erster Glucagon-like-Peptide-2 (GLP-2)-Agonist bei Kurzdarmsyndrom
Seit 2020
  • 2020: Givosiran als erster RNA-Silencer bei hepatischer Porphyrie
  • 2021: Erste Gentherapie der Indikationsgruppe: Atidarsagen-Autotemcel

Zunächst wurden vergleichsweise einfache chemische Verbindungen für die Therapie zur Verfügung gestellt. Seit den 1960er-Jahren wird Zinkacetat bei Morbus Wilson eingesetzt, einer Kupferspeicherkrankheit, die unbehandelt zur Schädigung der Leber und des Nervensystems führt. Seit Ende der 1970er-Jahre wird Natriumphenylbutyrat zur Behandlung von Stoffwechselstörungen des Harnstoffzyklus erprobt. Bei diesen Störungen führt die Ansammlung von Ammoniak zu schweren Hirnschäden. 1999 wurde Natriumphenylbutyrat von der EMA zugelassen und gehört damit in Europa zu den ersten Arzneimitteln mit Orphan-Drug-Status, der von der EMA seit dem Jahr 2000 zuerkannt wird. Der Wirkstoff ist seit 2000 in Deutschland verfügbar. 1983 wurde Levocarnitin eingeführt. Es wird bei verschiedenen Formen des Carnitinmangels eingesetzt. Seit 1998 steht Mercaptamin zur Behandlung der nephropathischen Cystinose zur Verfügung.

Im Jahr 1998 wurde mit der Imiglucerase erstmals ein biotechnologisch hergestelltes Enzym zur Substitution eines Enzymmangels bei einer angeborenen Stoffwechselerkrankung eingeführt, in diesem Fall des Morbus Gaucher. Mittlerweile sind viele weitere Enzyme verfügbar, und für einige Erkrankungen stehen sogar mehrere Alternativen bereit.

Mit dem seit 2003 zur Behandlung des Morbus Gaucher eingeführten Miglustat stand erstmals ein Enzymhemmer zur Verfügung, der die Akkumulation giftiger Stoffwechselprodukte vermindert. Die bei NAGS (N-Acetylglutamat-Synthetase)-Mangel wirksame Carglumsäure wurde 2004 eingeführt und kann als erstmalige Verwirklichung des Prinzips der Enzymaktivierung in dieser Indikationsgruppe angesehen werden.

2009 wurde das Sapropterin zur Behandlung der Hyperphenylalaninämie bei Patienten mit Phenylketonurie eingeführt. Es ist der erste pharmakologische Chaperon, der die Faltung des defekten Enzyms beeinflusst und so die Funktionsfähigkeit wiederherstellt. Als weiterer pharmakologischer Chaperon ist das Migalastat zu nennen, das seit 2016 als weitere Therapiemöglichkeit bei Morbus Fabry verfügbar ist.

Für das Jahr 2009 ist ein „negativer“ Meilenstein in der Entwicklung der Indikationsgruppe zu nennen: Durch Viruskontamination der Bioreaktoren in der einzigen Produktionsstätte für Imiglucerase wurde der Bestand des Enzyms so eingeschränkt, dass die Therapie rationiert werden musste – es standen weltweit nur noch 20 % der üblichen Menge zur Verfügung. Lieferengpässe traten auch bei anderen Enzymen auf, z. B. Agalsidase beta. Insbesondere die Lieferschwierigkeiten bei Imiglucerase zeigen, wie anfällig die Versorgung ist, sofern nur eine Produktionsstätte existiert und es entweder überhaupt keine Alternativen gibt oder auch die nicht in ausreichender Menge verfügbar gemacht werden können.

2014 wurde mit Teduglutid der erste Glucagon-like-Peptide-2 (GLP-2)-Agonist eingeführt, der beim Kurzdarmsyndrom eingesetzt wird und die Funktion der Darmschleimhaut verbessert.

Neue Therapieprinzipien verkörpern sogenannte RNA-Silencer, die erstmals in Form von Givosiran (2020) verfügbar gemacht wurden. Diese Wirkstoffe interferieren mit der RNA und können so bewirken, dass die mRNA für bestimmte Proteine vermindert wird und so weniger Protein synthetisiert wird. Im Falle von Givosiran wird weniger Delta-Aminolävulinsäure Synthase 1 synthetisiert und dadurch das die für die Erkrankung (akute hepatische Porphyrie) typischen Attacken vermindert werden.

2021 wurde mit Atidarsagen-Autotemcel die erste Gentherapie der Indikationsgruppe eingeführt. Dabei werden Blutstammzellen der Patienten genetisch so transformiert, dass sie eine korrekte Version des Enzyms Arylsulfatase A herstellen können. Eingesetzt wird diese Therapie bei der metachromatischen Leukodystrophie (MLD), einer seltenen Störung bei der es zu degenerativen Veränderungen an Zellen des peripheren und zentralen Nervensystems kommt.