Verbrauch von Mitteln zur Behandlung von Viruserkrankungen J05 Antivirale Mittel zur systemischen Anwendung

Veröffentlicht am: 22.02.24

Quelle: IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health), ab 2011 inkl. Zubereitungen
Teil-IndikationsgruppeVerbrauch in Mio. DDD
20122013201420152016201720182019202020212022
HIV31,332,834,134,235,035,634,733,638,140,142,3
Herpes4,64,85,15,35,65,76,06,36,26,36,3
Hepatitis B2,22,32,62,72,83,23,53,73,94,04,1
CMV0,40,40,40,40,40,40,50,50,60,60,6
Hepatitis C2,61,51,82,81,81,10,70,60,50,40,4
Übrige0,10,40,10,20,10,20,40,20,20,11,2
Antivirale Mittel gesamt41,242,144,145,745,846,245,845,049,451,454,8
CMV = Zytomegalievirus Quelle: IGES-Berechnungen nach NVI (Insight Health)

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Die antiviralen Mittel zur systemischen Anwendung gehören zu den selten verordneten Arzneimitteln, von denen jedem Versicherten der GKV 2022 im Durchschnitt 0,75 DDD verordnet wurden.

Der Verbrauch von antiviralen Mitteln war 2022 im Vergleich zu 1996 mehr als achtmal so hoch. Der Wachstumsverlauf seit 1996 zeigt in manchen Jahren auch Stagnation, kann insgesamt jedoch bis 2013 als stetig angesehen werden. In diesem Zeitraum lag das mittlere Wachstum bei 1,8 Mio. DDD jährlich. Von 2016 bis 2020 stagnierte das Wachstum und verläuft seit 2020 wieder stärker beschleunigt. Der Verbrauch stieg 2022 auf 54,8 Mio. DDD. Dies entspricht einer Zuwachsrate von 6,5 % gegenüber 2021.

Auf die Teil-Indikationsgruppen der Mittel bei HIV/Aids entfielen 2022 rund 77 % des Verbrauchs der Indikationsgruppe insgesamt. Für die Mittel bei HIV/Aids war im hier dargestellten Zeitraum seit 2008 ein sehr stetiges Verbrauchswachstum von 1,3 Mio. DDD jährlich zu beobachten, das jedoch ab 2016 stagnierte und 2019 um 1,1 Mio. DDD (3,3 %) zurückging. Seit 2020 steigt der Verbrauch wieder an, 2022 um 2,2 Mio. DDD (5,52 %). Das stetige Wachstum erklärt sich durch den Erfolg der Therapie: Durch die antiretrovirale Kombinationstherapie wurde die HIV-Infektion, die ohne Therapie in der Regel zur Ausbildung von Aids mit tödlichem Ausgang führt, zu einer chronischen Erkrankung, die allerdings eine lebenslange Therapie voraussetzt. Dies führte zu einer noch anhaltenden Sockelbildung durch neu hinzukommende Patienten. Der Verbrauchsanstieg seit 2020 ist auf die Erstattung der Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) durch die GKV seit September 2019 zurückzuführen. Dafür wird ausschließlich die Fixkombination aus Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil eingesetzt. Der Verbrauch dieser Fixkombination ging von 2015 bis 2018 zurück, weil sie durch andere Fixkombinationen mit dem besser verträglichen Tenofoviralafenamid ersetzt wurde. Seit 2019 steigt der Verbrauch von Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil wieder deutlich an, was plausibel nur durch die PrEP erklärt werden kann.

Für die Therapie von HIV/Aids ist eine Kombination aus in der Regel drei, manchmal auch nur zwei Wirkstoffen erforderlich. Diese Kombination kann entweder in Form von zwei oder drei Produkten mit jeweils einem Wirkstoff verordnet werden oder durch eine Fixkombination. Die Vorgaben zur DDD-Berechnung unterscheiden sich jedoch für Einzelwirkstoffe und Fixkombinationen: Bei einer Fixkombination ist die übliche Tagesdosis immer als 1 DDD definiert, unabhängig von der Anzahl der enthaltenen Wirkstoffe. Das heißt, eine neuere Fixkombination mit drei Wirkstoffen geht mit 1 DDD in die Verbrauchsbestimmung ein, eine Kombination aus drei Einzelwirkstoffen dagegen mit 3 DDD. Dies erschwert die Beurteilung der Verbrauchsentwicklung, da die Menge der Fixkombinationen stetig ansteigt, während die Verordnung von Einzelwirkstoffen seit 2015 jedes Jahr leicht zurückgeht.

Korrigiert man den Verbrauch in berechneten DDD entsprechend unter der Annahme, dass jede Fixkombination drei DDD von Einzelwirkstoffen entspricht, dann ergibt sich ein seit 2005 stetig steigender Verbrauch von antiretroviralen Arzneimitteln.

Mit den abgegebenen Mengen von HIV-/Aids-Mitteln hätten 2022 rund 79 000 Patienten behandelt werden können, wenn man davon ausgeht, dass täglich ein Bedarf für eine Dreifachkombination besteht. Zieht man den Verbrauch für die PrEP-Nutzung ab, ergeben sich rund 60 000 GKV-Versicherte, die wegen HIV/Aids hätten behandelt werden können. Die tatsächliche Anzahl liegt sehr wahrscheinlich höher, da in vielen Fällen auch eine Zweifachkombination ausreichend ist: Bewertet man alle Zweifachkombinationen als allein ausreichend für die Behandlung und zieht die geschätzte PrEP-Nutzung ab, dann wäre 2022 die Behandlung von rund 72 600 GKV-Versicherten mit HIV/Aids möglich gewesen.

Alle übrigen Teil-Indikationsgruppen haben sehr viel geringeren Anteil am Verbrauch der antiviralen Mittel insgesamt. 2022 lag dieser bei rund 11 % für die Mittel gegen Herpesviren sowie bei knapp 8 % für die Mittel zur Behandlung der Hepatitis B. Stetige Verbrauchssteigerungen gab es nur für die Teil-Indikationsgruppen der Mittel gegen Hepatitis-B-Viren sowie – bis 2020 – für die Mittel gegen Zytomegalievirus (CMV). Der Verbrauch von Mitteln gegen Herpes zoster ist seit 2019 stabil. Über die Ursachen für den bis 2019 beobachteten Verbrauchsanstieg bei Mitteln gegen Herpesviren kann nur spekuliert werden. Ob die Verbrauchstabilisierung seit 2019 in Zusammenhang mit der Impfung gegen Herpes zoster (siehe Impfstoffe J07) steht, bleibt abzuwarten.

Der Verlauf für den Verbrauch der Mittel bei Hepatitis C zeigt sich bis 2011 weitgehend stabil. 2012 stieg der Verbrauch – im Vergleich zur Vergangenheit – stärker an, was auf die Neueinführung der Proteasehemmer Boceprevir und Telaprevir zurückzuführen war. In Erwartung noch effektiverer Wirkstoffe und einer insgesamt verträglicheren Therapie durch weitere Neueinführungen ging der Verbrauch 2013 deutlich zurück. Seit 2014 wurden die erwarteten neuen Wirkstoffe eingeführt und lösten den beobachteten Verbrauchsanstieg aus. Im Jahr 2015 erreichte der Verbrauch von Mitteln bei Hepatitis C mit 2,8 Mio. DDD sein Maximum, doch ging seitdem der Verbrauch bis 2021 jährlich zurück. 2022 wurde ein Verbrauchsanstieg um rund 4 % beobachtet. Es spricht sehr viel dafür, dass der hohe Verbrauch im Jahr 2015 einen Nachholeffekt anzeigt, da wohl in Erwartung der neuen Therapiemöglichkeiten die Behandlung bei vielen Patienten zurückgestellt wurde. Ähnlich wie bei den Mitteln gegen HIV/Aids ist bei den Mitteln zur Anwendung bei Hepatitis C einerseits der Anteil von Fixkombinationen enorm gestiegen. Außerdem hat sich die Behandlungsdauer verkürzt, die nötig ist, um eine Viruselimination zu erreichen. Selbst unter Berücksichtigung dieses Effekts lag die Zahl der Patienten, die mit der abgegebenen Menge hätten behandelt werden können, 2022 deutlich unter dem Niveau wie vor Einführung der neuen Wirkstoffe.

Literatur

  • Ultsch B, Siedler A, Rieck T et al. Herpes zoster in Germany: quantifying the burden of disease. BMC Infect Dis 2011;11:173
  • Horn J, Karch A, Damm O et al. Current and future effects of varicella and herpes zoster vaccination in Germany - Insights from a mathematical model in a country with universal varicella vaccination. Hum Vaccin Immunother 2016;12(7):1766–1776