Marktentwicklung von Wirkstoffen mit Generikaeinführungen 2016/2017

Veröffentlicht am: 12.02.19

Die regulären Patentabläufe bzw. das Auslaufen von ergänzenden Schutzzertifikaten (SPC, supplementary protection certificates) von Arzneimitteln führt dazu, dass das exklusive Vermarktungsrecht für den Originalhersteller bzw. Lizenznehmer erlischt und das Arzneimittel auch von anderen Herstellern auf den Markt gebracht werden kann. Je nachdem, ob es sich um ein sogenanntes „small molecule“ oder ein Biologikum handelt, wird die Einführung von Generika oder Biosimilars möglich.

Für Generika ist in der Regel eine bezugnehmende Zulassung erforderlich, d. h. der Generikahersteller kann sich auf die Zulassungsunterlagen des Originalprodukts beziehen und muss insbesondere die Bioäquivalenz für sein Produkt nachweisen. Biosimilars müssen, wie das Original, zentral durch die EMA zugelassen werden, und je nach Anwendungsgebiet sind die Anforderungen für die Zulassung unterschiedlich. Es muss die Ähnlichkeit im Vergleich zum Referenzprodukt in Bezug auf Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit nachgewiesen werden (EMA 2014).

Je nach Attraktivität des Wirkstoffs − welche vom Bedarf und vom Umsatz, ggf. auch vom technischen Aufwand zur Herstellung abhängt − werden in der Regel mit Ablauf der Marktexklusivität von mehr oder weniger vielen Anbietern Generika bzw. Biosimilars in den Markt gebracht. Für den Originalhersteller bedeutet die Einführung von Generika häufig das Ende des Produktlebenszyklus und einen Einbruch des Umsatzes für das betreffende Produkt. Für die GKV bedeutet die Einführung eines Generikums in der Regel, dass die Ausgaben für den Wirkstoff sinken, weil die Generika billiger angeboten werden und durch Preiswettbewerb und Rabattverträge noch billiger werden können. Es ist allerdings auch möglich, dass die Ausgaben zunächst steigen, weil bei hohem ungedeckten Bedarf auch der Verbrauch steigt und dies durch die gesunkenen Kosten je DDD nicht kompensiert werden kann (Häussler et al. 2009). Durch die Einführung von Generika sind auch strukturelle Veränderungen möglich, insbesondere in Märkten mit konkurrierenden Analogwirkstoffen. Hier kann die Einführung günstiger Generika dazu führen, dass andere Wirkstoffe, die bislang als Standard gelten, Anteile verlieren. Ein jüngeres Beispiel hierfür ist der Lipidsenker Atorvastatin. Ab dem 15.03.2012 waren Generika für den Wirkstoff verfügbar, was zu einer Verneunfachung des Verbrauchs zwischen 2012 und 2017 führte. Der Verbrauchsanstieg im Therapieansatz Statine war somit ebenfalls auf Atorvastatin zurückzuführen.

Im Folgenden wird gezeigt, wie sich der Markt für Wirkstoffe entwickelt hat, welche in den letzten beiden Jahren (2016/2017) ihren Patentschutz verloren haben. Die Auflistung beschränkt sich dabei auf Wirkstoffe, die 2015 mindestens 50 Mio. Euro Jahresumsatz (AVP) aufwiesen und für die ein Generikum bzw. Biosimilar im Zeitraum November 2015 bis Dezember 2017 auf den Markt gekommen war. Die folgenden Tabelle gibt eine Übersicht zu den 17 Wirkstoffen, für die beide Kriterien zutrafen.

Umsätze, Mengen, Generika-/Biosimilars- und Rabattquoten im Jahr 2017 für Wirkstoffe mit Patentauslauf zwischen November 2015 und Dezember 2017 mit mind. 50 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2015.
WirkstoffATC-CodeMarkteintritt erstes Generikum/ BiosimilarUmsatz (Mio. Euro)DDD (Mio.)Anteil Umsatz Generika/ Biosimilars (%)Anteil DDD Generika/ Biosimilars (%)Anteil DDD unter Rabatt (Original) (%)*
201520162017201520162017201720172017
EtanerceptL04AB0115. Feb. 2016529,1551,5592,98,79,210,429,634,177,1
TiotropiumbromidR03BB0405. Juli 2016290,8271,1250,3232,7212,5194,95,24,677,5
RituximabL01XC0215.Apr. 2017288,1286,6271,52,22,22,112,614,90,0
EnoxaparinB01AB0515 Aug. 2017288,1274,7264,0107,9103,399,80,60,75,6
ImatinibL01XE0101. Dez. 2016277,3276,4198,52,02,01,930,248,00,0
GlatirameracetatL03AX1301. Sept. 2016262,9279,1281,55,25,55,50,00,094,0
Formoterol und BudesonidR03AK0701. Okt. 2016250,5242,8226,2108,1106,5100,412,813,484,9
Insulin lisproA10AB0401. Sept. 2017202,2221,8234,3121,5133,3140,80,00,094,0
Tenofovirdisoproxil und EmtricitabinJ05AR0301. Aug. 2017200,4147,683,57,45,43,37,612,314,2
Oxycodon und NaloxonN02AA5515. Okt. 2017186,2196,7192,016,416,716,624,925,60,1
Valsartan und AmlodipinC09DB0101. Feb. 2017130,3130,9127,5102,4102,9101,13,74,824,3
EtoricoxibM01AH0515. Feb. 201798,999,891,184,684,486,731,840,254,9
BosentanC02KX0101. Sept. 201792,378,967,60,70,60,57,110,20,0
TenofovirdisoproxilJ05AF0701. Aug. 201766,772,169,33,94,14,312,717,312,7
FulvestrantL02BA0301. Sept. 201656,763,270,91,61,82,228,630,570,5
IvabradinC01EB1701. Nov. 201754,155,556,623,123,724,10,10,181,3
SildenafilC02KX0615. Aug. 201653,953,750,71,91,92,039,544,964,7
* Nur FertigarzneimittelQuelle: IGES-Berechnungen nach NVI (INSIGHT Health)

icon download

2017 waren durch das o. g. Auswahlkriterium (Umsatz von mindestens 50 Mio. Euro im Jahr 2015) zehn Wirkstoffe relevant und damit etwas mehr als die sieben Wirkstoffe in 2016. Insgesamt kamen im Betrachtungszeitraum und unter Berücksichtigung des Auswahlkriteriums, für vier biotechnologische Arzneimittel Biosimilars auf den Markt. Dabei war der TNF-alfa-Inhibitor Etanercept mit einem Umsatz von 514,8 Mio. Euro im Jahr 2015 der größte der betrachteten Wirkstoffe. Die weiteren biotechnologisch hergestellten Arzneimittel waren Rituximab, Enoxaparin und Insulin lispro. Die ersten Biosimilars (Somatropin, Filgrastim sowie Epoetin-Biosimilars) kamen im Zeitraum 2006 bis 2009 auf den Markt (erste Phase). Erst 2015 wurden wieder Biosimilars eingeführt. In naher Zukunft sind weitere Patentausläufe von Biologika und damit neue Biosimilars zu erwarten.

Bei den betrachteten Wirkstoffen gibt es kein einheitliches Bild, ob die Einführung von Generika bzw. Biosimilars zu einem steigenden Verbrauch geführt hat. Ein zusätzlicher Schub durch die Einführung von Biosimilars zeigte sich bei Etanercept. Der Verbrauch stieg von 2015 nach 2016 noch um 5,9 % und lag damit auf vergleichbaren Niveau der drei Jahre zuvor. Von 2016 nach 2017 ließ sich jedoch ein erheblicher Zuwachs von 13,2 % beobachten. Der zusätzliche Verbrauch entfiel dabei mehrheitlich auf Biosimilars.

Anders hingegen war die Entwicklung beim Anticholinergikum Tiotropiumbromid. In diesem Fall konnte auch die Einführung von Generika den beginnenden Verbrauchsrückgang nicht aufhalten. Der Verbrauch ging von 2015 nach 2017 um insgesamt 16,2 % zurück. Bei den zwei niedermolekularen Stoffen Etoricoxib und Sildenafil stieg der Verbrauch von 2016 nach 2017 zwischen 2,6 % und 2,9 %. Infolge des Preiswettbewerbs gingen die Umsätze aber zwischen 5,4 % und 8,7 % zurück. Bezüglich der Marktdurchdringung erreichten die beiden Wirkstoffe im Jahr 2017 Werte von 40,2 % (Etoricoxib) bzw. 44,9 % (Sildenafil).

Ein Indikator für die Marktdurchdringung von Generika bzw. Biosimilars ist der Anteil am Verbrauch in DDD. Praktisch keine nachweisbaren Verbrauchsanteile fanden sich für Biosimilar von Insulin lispro, was nicht erstaunlich ist, da Insulinanaloga bereits seit 2010 nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie im Vergleich zu einer Therapie mit Humaninsulin nicht zu Mehrkosten führen (G-BA 2010). Da der mittlere Preis (AVP) für das Biosimilars von Insulin lispro deutlich höher war als für Humaninsulin, kann auch dieses Produkt nur dann erstattet werden, wenn ein Rabattvertrag sicherstellt, dass die Kosten nicht höher sind als für Humaninsulin. Es ergeben sich daher keine offensichtlichen Einsparmöglichkeiten durch die Verordnung des Insulin lispro-Biosimilars. Die höchste Marktdurchdringung zeigten 2017 die Imatinib-Generika mit 48 % des Verbrauchs. Imatinib war der erste Proteinkinase-Hemmer, der in der Onkologie zur Behandlung der Philadelphia-Chromosom-positiven chronischen myeloischen Leukämie (CML) eingeführt wurde. Durch Imatinib wurde die Erkrankung für die meisten Patienten zu einer gut beherrschbaren chronischen Erkrankung.

Die Zahl der Altoriginale, für die es 2017 Rabattverträge gab, war hoch. Lediglich für vier der hier betrachteten 17 Wirkstoffe hatten die Hersteller keine Rabattverträge abgeschlossen bzw. war der Absatz unter Rabatt (im Fall Oxycodon und Naloxon) marginal. Für die übrigen Altoriginale bewegte sich die Spanne für den Verbrauch unter Rabatt zwischen 5,6 % bei Enoxaparin und 94 % bei Glatirameracetat. Der hohe Anteil von 94 % für den Verbrauchsanteil von Insulin Lispro unter Rabatt steht nicht im Zusammenhang mit der Einführung von Biosimilars, sondern damit, dass Insulinanaloga bereits seit 2010 nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie im Vergleich zu einer Therapie mit Humaninsulin nicht zu Mehrkosten führen (G-BA 2010).

Literatur