Lebenszyklus des Wirkstoffs Amlodipin zur Behandlung der Hypertonie

Veröffentlicht am: 06.06.19

Zur Einführung in den realen Markt soll die Entwicklung für den Wirkstoff Amlodipin dargestellt werden, um zu zeigen, dass sich der oben beschriebene idealtypische Produktlebenszyklus auch in tatsächlichen Verläufen wiederfinden lässt. Die deutsche Wiedervereinigung wurde in der Datenaufbereitung mit einem gesonderten Faktor berücksichtigt. Dies gilt für alle folgenden Daten und Abbildungen, welche den Zeitraum 1990 bis 1991 berücksichtigen.

In den folgenden Abbildungen sind die Umsatz- und Mengenentwicklung für das Originalprodukt Norvasc® dargestellt. Es ergibt sich ein nahezu idealtypischer Produktlebenszyklus sowohl hinsichtlich des Umsatzes als auch des Verbrauchs des Calciumkanalblockers. Der Zyklus beginnt im Jahr 1994 mit der Einführung des Wirkstoffs und erreicht seinen Höhepunkt im Jahr 2002. Zu diesem Zeitpunkt ergeben sich ein inflationsbereinigter Umsatz von 287 Mio. Euro (AVP) und ein Verbrauch von 328 Mio. DDD. In den 4 Jahren danach kommt es zu einem enormen Rückgang. Somit kommen Umsatz und Absatz, ab dem Jahr 2006, nahezu komplett zum Erliegen.

IGES-Berechnungen nach AVR (1986 bis 2003) und NVI (Insight Health) ab 2004; AVR: Arzneiverordnungs-Report
IGES-Berechnungen nach AVR (1986 bis 2003) und NVI (Insight Health) ab 2004; AVR: Arzneiverordnungs-Report

Wird die Entwicklung von Norvasc® durch die Amlodipin-Generika komplettiert, zeigt sich der Auslöser für den rapiden Rückgang von Umsatz und Verbrauch. Ab dem Jahr 2003 findet ein Verdrängungswettbewerb durch die Einführung von generischen Wirkstoffen statt, welche Verbrauch und Umsatz von Norvasc® einbrechen lassen.

Diese Entwicklung vollzieht sich aufgrund des Zusammenspiels dreier Effekte:

  • Umsatz: Der Umsatz für den Wirkstoff geht, trotz steigenden Verbrauchs, nach Einführung der Generika zurück, was durch fallende Preise bedingt ist. So werden im Jahr 2017, 14 Jahre nach Patentablauf, nur noch 50 % des maximal erreichten jährlichen Umsatzes im Jahr 2002 erreicht. Die Umsatzanteile des Originalpräparats fallen ab dem Jahr 2007 auf unter 5 %.
  • Verbrauch (Menge): Die Verbrauchsentwicklung für Amlodipin zeigt einen stetigen Anstieg bis zur Einführung der Generika im Jahr 2003, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 14,9 % zwischen 1997 und 2003. Nach Einführung der Generika steigerte sich jedoch das Wachstum enorm mit einer jährlichen Wachstumsrate von 26,8 % bis 2009. Nach dieser Phase folgte ein eher moderateres Wachstum von 3,9 % bis ins Jahr 2017. Langsam scheint die Verbrauchswicklung auf ein Plateau zuzusteuern. Hintergrund sind der ungesättigte Versorgungsbedarf sowie die Entwicklung der dritten Komponente, des Preises (s. u.). Die Verbrauchsentwicklung deutet auf einen hohen Bedarf für den Wirkstoff hin, der zuvor aufgrund des Preises von Norvasc® nicht gedeckt wurde. Die Patienten wurden entweder gar nicht versorgt oder mit anderen Calciumblockern, die ähnliche, aber nicht identische Eigenschaften wie Amlodipin aufwiesen.
  • Preis: Der Preis wird aus dem Umsatz je DDD abgeleitet. Er ist ab dem Zeitpunkt der Markteinführung im Jahr 1995 ausgewiesen und veranschaulicht das hohe Ausgangsniveau. Der Preisverfall ist direkt nach Wirkstoffeinführung zu beobachten. Hintergrund ist der Wettbewerb mit anderen, teilweise auch patentgeschützten Produkten, die im Vergleich zu Norvasc® preisgünstiger waren. Hauptsächlich dürfte der damalige Preiswettbewerb gegen retardierte Nifedipin-Präparate gerichtet gewesen sein, die den Markt beherrschten. Diese Entwicklung ist typisch für den Betrachtungszeitraum: In Märkten mit vielen Analogwirkstoffen beteiligten sich auch patentgeschützte Produkte am Preiswettbewerb (Häussler et al. 2002). Abgesehen von den Nifedipin-Präparaten gehörte Norvasc® bezogen auf den Umsatz je DDD zu den preisgünstigsten Produkten unter den Calciumkanalantagonisten.
IGES-Berechnungen nach AVR (1986 bis 2003) und NVI (Insight Health) ab 2004; AVR: Arzneiverordnungs-Report
IGES-Berechnungen nach AVR (1986 bis 2003) und NVI (Insight Health) ab 2004; AVR: Arzneiverordnungs-Report
IGES-Berechnungen nach AVR (1986 bis 2003) und NVI (Insight Health) ab 2004; AVR: Arzneiverordnungs-Report

Dieses Beispiel aus der Indikationsgruppe der Mittel bei Hypertonie veranschaulicht den Verlauf eines Produkts, welches den Innovationszyklus bereits durchlaufen hat. Am Ende des Produktzyklus entsteht eine Marktsituation, die durch die Generikaeinführung einen hohen Versorgungsbedarf sicherstellt und dennoch zu geringeren Ausgaben führt als die durch die stetig steigende Umsatzentwicklung bedingten Ausgaben in der Einführungs- und Wachstumsphase von Norvasc®. Der Lebenszyklus für den Wirkstoff Amlodipin ist noch nicht abgeschlossen, da immer noch ein wachsender Verbrauch und Umsatz zu beobachten ist.